05.07.2018 Thorsten Rensing

„Der will nur spielen!“: Persönlichkeitsentwicklung als Wettbewerbsvorteil

  • STAFF RENT-Geschäftsführer Thorsten Rensing macht sich für eine neue Bildung stark, um den radikalen Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt zu begegnen
  • Im Berufsalltag spielt Wissen heute eine immer geringere Rolle, denn es kann automatisiert angefordert werden. Vielmehr sind Kompetenzen gefragt. Die Schlüsselfrage in puncto Bildung lautet daher: „Wie können wir das Rüstzeug vermitteln, Kompetenzen zu erwerben?“
  • Positive Effekte treten vor allem dann auf, wenn Lernen Spaß macht, das Erlernte relevant ist und das Lernerlebnis positiv besetzt ist
  • Beim Blended Learning geht es darum, gezielt unterschiedliche Medien zu nutzen, um das bestmögliche Lernerlebnis zu erzielen. Künftig spielt neben dem Lerninhalt also auch das Lernmedium von Bedeutung

„Bildung kommt nicht vom Lesen, sondern von dem Nachdenken über das Gelesene.“ Dieser oft zitierte Satz von Carl Hilty repräsentiert eine nur unvollständige Vorstellung von Bildung. Nämlich dass sie aus Büchern kommt, eingetrichtert wird – und nur von dem erlangt werden kann, der über diese Bücher nachsinnt.

Wissen versus Kompetenzen
Unsere konventionelle Bildung ist wissensbasiert. Sie beruht auf der Vermittlung von Fakten. Abgefragt in Prüfungen sind sie der Nachweis, dass man etwas gelernt hat. Diesem Grundgedanken folgt unser Schul- und Ausbildungssystem bis heute. Doch brauchen wir im Berufsalltag heute immer weniger Wissen, denn das kann automatisiert angefordert werden. Stattdessen sind Kompetenzen gefragt. Kompetenzen, so der Wissenschaftler John Erpenbeck, sind „überdauernde Persönlichkeitseigenschaften, die sich im selbst organisierten Handeln zeigen“. Jeder Kompetenz kann Wissen zugrunde liegen – muss es aber nicht. Es ist möglich, sozial kompetent zu kommunizieren, ohne die zugrundeliegenden Modelle zu kennen. Es geht im Berufsleben also immer mehr um die intuitive Anwendung und (Selbst-)Organisation.

Mit alten Vorstellungen brechen
In dieser beruflichen Welt, in der die soziale Interaktion zunehmend wichtiger wird, braucht es eine veränderte Bildungsvermittlung. Es ist Zeit, mit alten Vorstellungen zu brechen und sich auf das Wesentliche zu besinnen. Schon in den Neunzigerjahren erstellten Morgan McCall, Robert Eichinger und Michael Lombardo vom Center for Creative Leadership in North Carolina dazu eine hilfreiche Regel – 70:20:10. Sie postulierten, dass 70 Prozent der Kompetenzen „on the Job“ gelernt werden, 20 Prozent durch das berufliche und soziale Umfeld und nur zehn Prozent durch traditionelle Weiterbildung. Für uns als Personaldienstleister eine sehr gute Nachricht – denn unsere Kollegen lernen „on the Job“ durch den Wechsel der Einsatzstellen heute schon deutlich mehr als konventionell arbeitende Kollegen. Dies gilt es clever zu organisieren.

Freiräume schaffen
Voraussetzung dafür ist, im Unternehmen Freiräume zu schaffen, in denen man sich mit der Thematik ganzheitlich auseinandersetzt – ohne Hierarchien und Denkverbote. Ein kleines, übersichtliches und flexibles Bildungssystem wirkt effektiver als eine große Abteilung, die die traditionelle Weiterbildung verwaltet.

Den Spieltrieb und die Kreativität nutzen
Eine Grundveranlagung des Menschen ist es, sich spielerisch die Welt zu Begreifen. Mit Hilfe der Kreativität fühlt sich Lernen dann kaum noch als solches an. Wer das nutzt, schafft positive Lernergebnisse. Sehen wir uns exemplarisch die übliche Arbeitsplatzbegehung bei großen Unternehmungen an: An einem Treffpunkt übernimmt ein ortskundiger Führer und betreibt Sightseeing. Leider ohne Sehenswürdigkeiten, weshalb die Erinnerungsfunktion des Gehirns auch kaum auf Empfang stehen.

Eine Grundveranlagung des Menschen ist es, sich spielerisch die Welt zu Begreifen. Mit Hilfe der Kreativität fühlt sich Lernen dann kaum noch als solches an. Wer das nutzt, schafft positive Lernergebnisse.

– Thorsten Rensing über die Rolle des Spieltriebs beim Lernen:

Ein viel besserer Effekt ist zum Beispiel durch eine Schnitzeljagd über das Gelände zu erzielen. Fehlersuchbilder („In diesem Bild sind fünf Fehler versteckt.“) statt Vortrag ist die Devise. Spielen und Wettkampfgedanke sind fast ein Garant für einen Mehrwert sowie für ein positiv besetztes und vor allem dauerhaftes Lernerlebnis. Aktiv Erlerntes behalten wir einfach besser.

Relevanz sichererstellen
Lebenslanges Lernen klingt für viele erst einmal wie ein Schreckgespenst. Wenn die Kollegen aber merken, dass das, was sie lernen, ihnen im Alltag wirklich hilft, sie vorwärtsbringt, dann wird sich die Frage nach dem „Warum?“ nicht mehr stellen. Die Kunst eines angepassten Bildungsrahmens ist es, immer wieder darüber nachzudenken, ob er Kollegen wirklich einen Mehrwert bietet. Denn nur dann macht er Sinn. Ein Bewerber Café vor Beginn einer Tätigkeitsaufnahme ist ein sehr guter Ansatz – wenn man nicht den Anspruch hat, jeden Kollegen hindurch zu schleifen. Hilfestellungen in puncto Pünktlichkeit oder Unterstützung bei Fragen der Alltagsorganisation sind nicht für jeden notwendig. Und nur Inhalte, die hilfreich und notwendig sind, haben Relevanz – und werden positiv besetzt. Heutige Bildung muss individuell sein. Im Idealfall modular, nach Bedarf für einzelne Kollegen zusammenstellbar. Statt eines monatlichen Bewerber Cafés bieten sich kleine Video-Snippets an. Kurze Schnipsel, die man dann anschauen kann, wenn sie relevant werden, orts- und zeitunabhängig.

Blended Learning – der Weg der Zukunft
Blended Learning bedeutet übersetzt so viel wie integriertes Lernen. Es geht darum, gezielt unterschiedliche Medien zu nutzen, um das bestmögliche Lernerlebnis zu erzielen. Zukünftig spielt neben dem Lerninhalt also auch das Lernmedium eine entscheidende Rolle. So kann aus einem Test schon mal ein Quiz werden. Bei einem Quiz gibt es etwas zu gewinnen, bei einem Test hofft man zu bestehen. Sie sehen: Das Mindset ist ein anderes.

Wenn Sie viele Präsenzschulungen, Bewerber Cafés, Hygienebelehrungen oder Maschineneinweisungen machen, dann denken Sie über Videos nach. Sie bieten einen hohen Freiheitsgrad und sind unterhaltsam. Im Job werden Ortskenntnisse vorausgesetzt? Machen Sie eine Schnitzeljagd. Geben Sie lieber kleine regelmäßige Tipps – Neudeutsch: Life Hacks – an Ihre Kollegen weiter, als sie eine Stunde lang frontal zu langweilen. Sie möchten Mitarbeiter bei einer Prüfungsvorbereitung unterstützten? Inszenieren Sie ein Quiz. Alle Formen des Lernens sind kombinierbar. Individuell holen Sie jeden Kollegen da ab, wo er steht.

Die Königsklasse: Social Blended Learning
Streng genommen zielen alle Blended Learning-Ideen stets nur auf die 10 Prozent unserer 70:20:10 Regel ab. Wie aktivieren wir nun noch die letzten 20 Prozent, um das Maximum herauszukitzeln? Da hilft ein Blick über den Tellerrand. In der IT-Branche sind „Fuckup Nights“ mittlerweile etabliert. Man erzählt öffentlich über seine Fehler und Misserfolge und die Gruppe überlegt zusammen, wie solche Fehler zukünftig vermieden werden können. Es liegt nahe, dass wir als Personaldienstleister auch einen solchen Erfahrungsaustausch organisieren. Als Bindungs-, Akquise- und Lernmodul.

Fazit

Digitaler Wandel erfordert eine andere, umfassendere Bildung. Wenn wir von den Mitarbeitern lebenslanges Lernen fordern, dann müssen wir zuvor die Lernorte und -arten dafür entwickeln. Kreative Organisation ist gefragt, um (Zeit-)Arbeitnehmer zum Lernen zu motivieren. Dafür sind drei Dinge unerlässlich: Spaß am Lernen, Relevanz des Gelernten und ein positiv besetztes Lernerlebnis. So gestalten wir die Bildung nicht nur, sondern wir erfinden ein neues Geschäftsfeld.


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