06.09.2022 Edgar Schröder

Enttäuschendes Signal des Bundesverfassungsgerichts

  • Im Juli dieses Jahres entschied sich das Bundesverfassungsgericht für den Erhalt des Fremdpersonalverbots in der Fleischwirtschaft.
  • Dieser Beschluss sorgte zum einen für Unmut in der Branche – und lässt zum anderen noch wichtige Fragen offen.
  • Branchenexperte Edgar Schröder kritisiert die Entscheidung der Richter – und fordert alternative Maßnahmen.

Mit ihrem im Juli veröffentlichten Gerichtsbeschluss sorgen die zuständigen Richter des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) für viel Frust! Das Fremdpersonalverbot in der Fleischwirtschaft bleibt weiterhin bestehen. Mehrere Zeitarbeitsfirmen und ein Wursthersteller wollten das sektorale Einsatzverbot stoppen.

Ich bin erschüttert, dass ohne mündliche Verhandlung deren Verfassungsbeschwerden abgewiesen wurden. Die Beschwerdeführer hätten aus Sicht der Verfassungsrichter nicht substantiiert genug vorgetragen bzw. begründet, warum sie eklatant in ihren Grundrechten der Berufsfreiheit nach Artikel 12 Absatz 1 Grundgesetz verletzt sind. Zudem hätten die betroffenen Unternehmer zuerst vor Fachgerichten klären lassen müssen, in welchem Ausmaß die gesetzlichen Neuregelungen des Gesetzes zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft (GSA Fleisch) auf sie durchschlagen. Den Unternehmen sei ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache zuzumuten.

Viele Fragen noch offen

Das Dilemma dieses höchstrichterlichen Hinweises besteht darin, dass etliche betroffene Unternehmen Feststellungsklagen und Anträge auf einstweilige Anordnungen bei den jeweils zuständigen Finanzgerichten eingereicht haben. Allerdings beantworten die bisherigen Entscheidungen der Finanzgerichtsbarkeit die relevanten Fragen, insbesondere wann ein Betrieb der Fleischwirtschaft vorliegt und was der Bereich der Fleischverarbeitung umfasst, noch nicht einheitlich und endgültig.

In einem dieser Verfahren hat der Bundesfinanzhof (BFH) die vorhergehende Entscheidung des Finanzgerichts Hamburg vom 20.05.2021 aufgehoben und den Antrag als unzulässig abgewiesen!

Unterm Strich ist zu resümieren: Die Zeitarbeitsbranche hängt mal wieder in der Warteschleife.

– Edgar Schröder

Edgar Schröder

Ein familiengeführtes Unternehmen mit Sitz in Niedersachsen, das Wurstprodukte aller Art herstellt, hatte im Frühjahr 2021 eine „vorbeugende“ Feststellungsklage zur Erreichung eines „wirksamen Rechtsschutzes“ erhoben. Diese Vorgehensweise akzeptiert der BFH nicht mit der Begründung, das zuständige Hauptzollamt habe weder Prüfungsmaßnahmen in dem Betrieb der Antragstellerin durchgeführt, noch konkrete Maßnahmen angekündigt.

Immerhin ist ein weiteres Verfahren beim BFH unter dem Aktenzeichen VII R 24/21 anhängig (vorhergehend FG Nürnberg, Urteil vom 20.07.2021). Es bleibt abzuwarten, ob der 7. Senat des BFH seine fragwürdige Positionierung unter Beachtung der Ausführungen/Hinweise des Bundesverfassungsgerichts korrigiert.

Fazit

Unterm Strich ist zu resümieren: Die Zeitarbeitsbranche hängt mal wieder in der Warteschleife. Anstatt jahrelanger Rechtsstreitigkeiten vor den Fachgerichten austragen zu müssen, wären kreative Maßnahmen unserer Bundesregierung, unter anderem das endgültige Fallenlassen der sektoralen Beschäftigungsverbote einschließlich des Bauhauptgewerbes sowie das Ersetzen des Schriftformerfordernisses für Überlassungsverträge durch die simple Textform wesentlich pragmatischer.

Allerdings habe ich persönlich den Eindruck gewonnen, das politische Berlin will die Personaldienstleister stattdessen aufs Abstellgleis schieben. Übrigens sollte die AÜG-Reform vom 1.4.2017 bereits im Jahr 2020 evaluiert werden, ist also längst überfällig!

Warten wir dementsprechend auf die nächsten anstehenden Gerichtsentscheidungen. Für den 14. September 2022 ist der mündliche Verhandlungstermin zur tarifvertraglichen Erweiterung der Überlassungshöchstdauer vor dem 4. Senat des Bundesarbeitsgerichts terminiert.

So sehen der Fortschritt und die Kreativität für Zeitarbeitsunternehmen im zweiten Halbjahr 2022 aus!

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