Gemeinschaftsbetrieb zum Ausschluss einer Arbeitnehmerüberlassung

Vor dem Hintergrund der erheblichen gesetzlichen Regulierung der Zeitarbeit, insbesondere durch die (Wieder-)Einführung einer gesetzlichen Überlassungshöchstdauer und der zwingenden Gewährung von Equal Pay nach neun Monaten eines Einsatzes bei einem Kunden, stellen sich in der Praxis immer wieder verstärkt folgende Fragen: Wie kann die Arbeitnehmerüberlassung von einem im Rahmen eines unternehmensübergreifenden, aber gesetzlich nicht nach Maßgabe des AÜG regulierten Personaleinsatzes in einem Gemeinschaftsbetrieb abgegrenzt werden? Oder kann dieser sogar (bewusst) genutzt werden, um eine Arbeitnehmerüberlassung zu vermeiden? Dies gilt gerade in Konstellationen, in denen ein längerfristiger oder gar dauerhafter Arbeitskräftebedarf besteht.

Maßgebliches Unterscheidungskriterium ist der – im Gegensatz zur Arbeitnehmerüberlassung – bei einem Gemeinschaftsbetrieb bestehende gemeinsame Betriebszweck. Eine Arbeitnehmerüberlassung liegt vor, wenn der Vertragsarbeitgeber des Arbeitnehmers dem Kunden den Mitarbeiter überlässt, um diesen zur Verfolgung des betrieblichen Zwecks des Kunden einzusetzen. Ein Gemeinschaftsbetrieb von Vertragsarbeitgeber und dem Dritten liegt dagegen vor, wenn ein gemeinsamer Betriebszweck beider Unternehmen besteht. Der Arbeitnehmer wird somit nicht zur Verfolgung eines „fremden“ Betriebszwecks, sondern zu dem Betriebszweck „auch seines Arbeitgebers“ eingesetzt. Um eine Arbeitnehmerüberlassung zu verneinen, ist es ausreichend, wenn der Arbeitnehmer bei der Erfüllung seiner Arbeitsleistung u.a. auch für seinen Vertragsarbeitgeber bei der Erfüllung von dessen Aufgaben tätig wird. Entgegen der Definition der Arbeitnehmerüberlassung wird der Arbeitnehmer ferner nicht im Betrieb eines Dritten tätig, wenn der Beschäftigungsbetrieb ein Gemeinschaftsbetrieb von Vertragsarbeitgeber und Drittem ist. Es handelt es sich gerade nicht um einen „fremden“, sondern um einen „gemeinsamen" Betrieb der beteiligten Unternehmen.

Wann liegt ein Gemeinschaftsbetrieb vor?

Dass mehrere rechtlich selbstständige Arbeitgeber einen Betrieb gemeinsam führen, ist nach der ständigen Rechtsprechung des BAG anzunehmen, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird (vgl. BAG v. 10.11.2011 – 8 AZR 538/10; BAG v. 11.12.2007 – 1 AZR 824/06). Die beteiligten Unternehmen müssen sich zumindest stillschweigend zu einer gemeinsamen Führung rechtlich verbunden haben. Hierbei muss sich die einheitliche Leitung auf die wesentlichen Funktionen des Arbeitgebers in personellen und sozialen Angelegenheiten erstrecken. Eine lediglich unternehmerische Zusammenarbeit genügt nicht. Vielmehr müssen die Funktionen des Arbeitgebers institutionell einheitlich für die beteiligten Unternehmen wahrgenommen werden. Entscheidend ist insoweit, ob ein arbeitgeberübergreifender Personaleinsatz praktiziert wird, der für den normalen Betriebsablauf charakteristisch ist. So genügt die mit einem Konzernverhältnis verbundene Beherrschung eines Unternehmens durch ein anderes nicht, um das Vorliegen eines gemeinsamen Betriebes zu bejahen. Dies gilt auch dann, wenn das herrschende Unternehmen einem beherrschten Unternehmen Weisungen erteilt. Das herrschende Unternehmen wird dadurch nicht zusammen mit dem beherrschten Unternehmen Inhaber eines gemeinsamen Betriebes. Es fehlt an der hierzu erforderlichen Einbringung von Betriebsmitteln und Arbeitnehmern. Eine gemeinsame Personalabteilung indiziert einen Gemeinschaftsbetrieb noch nicht, wenn sich ihre Tätigkeit im Wesentlichen auf Unterstützungs- und Beratungsleistungen beschränkt.

Entscheidend für einen gemeinsamen Betrieb ist, dass insbesondere für die maßgeblichen Personalfragen, wie Einstellung, Versetzung, Kündigung oder Lage der Arbeitszeit bzw. Gewährung von Urlaub, eine einheitliche Leitung zuständig ist, die diese – unabhängig von der Unternehmenszugehörigkeit der in dem Betrieb tätigen Mitarbeiter – entscheidet.

– Dr. Alexander Bissels

Ein Beispiel: Unternehmen A und B betreiben zusammen einen großen Hotelbetrieb. Als Küchenpersonal sind Arbeitnehmer des Unternehmens A eingesetzt, während die Bedienung der Restaurantgäste ebenso wie den Service im Hotelbetrieb Arbeitnehmer des Unternehmens B leisten. Sämtliche im Hotel tätigen Arbeitnehmer unterliegen der Weisungsbefugnis einer einheitlichen Hotelleitung. In diesem Fall besteht ein Gemeinschaftsbetrieb zwischen A und B.

Unterschiede zur Arbeitnehmerüberlassung

Anders als im Fall der Arbeitnehmerüberlassung unterliegt der Arbeitnehmer im Gemeinschaftsbetrieb nicht dem Weisungsrecht eines anderen Arbeitgebers. Das Weisungsrecht wird vom einheitlichen Leitungsapparat der sich am Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Unternehmen ausgeübt. Dass eine Arbeitnehmerüberlassung und ein Gemeinschaftsbetrieb sich ausschließen, haben in der jüngeren Vergangenheit zahlreiche Instanzgerichte unter Verweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung des BAG – auch in Konzernstrukturen – immer wieder bestätigt (vgl. LAG Köln v. 24.02.2021 – 5 Sa 820/20; LAG Bremen v. 06.05.2020 – 3 Sa 47/19).

In diesem Sinne hat jüngst auch das Hess. LAG entschieden (Urt. v. 15.01.2021 – 3 Sa 1115/19). Der Sachverhalt lässt sich dabei wie folgt zusammenfassen:

Die Beklagte zu 1) betreibt den Flughafen A. Seit dem Jahr 2012 bildet die Beklagte zu 1) zusammen mit der B GmbH einen gemeinsamen Betrieb mit knapp 10.000 Arbeitnehmern. Die Beklagte zu 2) ist ein 100%iges Tochterunternehmen der Beklagten zu 1). Gegenstand des Unternehmens der Beklagten zu 2) ist nach der Eintragung im Handelsregister zunächst gewesen: „Personaldienstleistungen aller Art, u.A. Personalgestellung auf Grund des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG), die Durchführung von Werk- und Dienstverträgen und die Personalvermittlung, sowie alle hiermit im Zusammenhang stehenden Geschäfte“. Entsprechend hatte die Beklagte zu 2) ursprünglich die bei ihr beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer im Wege der Arbeitnehmerüberlassung an die Beklagte zu 1) überlassen; diese hat die Zeitarbeitnehmer im Bereich ihrer Bodenverkehrsdienste (im Folgenden: BVD) eingesetzt. Unstreitig war, dass bis Juni 2017 jeweils 3.500 Arbeitnehmer der Beklagten zu 2) als Zeitarbeitnehmer und ebenso viele Mitarbeiter der Beklagten zu 1) im Bereich BVD eingesetzt worden sind. Sowohl die Beklagte zu 1) als auch die Beklagte zu 2) sind im Besitz einer unbefristeten Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung.

Nach einem Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 16.12.2016 hat die Beklagte zu 2) ihren Unternehmensgegenstand geändert. Nach der Eintragung im Handelsregister ist ihr Unternehmensgegenstand nunmehr u.a. „die Erbringung von Dienstleistungen im Luftverkehr, insbesondere im Rahmen der Bodenverkehrsdienstleistungen sowie die Durchführung aller hiermit im Zusammenhang stehender Geschäfte“. Unter dem 20.06.2017 haben die Beklagte zu 1), die B GmbH und die Beklagte zu 2) eine „Vereinbarung über die Führung eines gemeinsamen Betriebs“ (im Folgenden: Führungsvereinbarung) getroffen. Danach sollten zum 01.07.2017 die in den Betriebsstätten der Unternehmen in A vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel in einem gemeinsamen Betrieb eingesetzt und von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert werden. Am selben Tag haben die drei Unternehmen auch eine „Kooperationsvereinbarung zum Gemeinschaftsbetrieb“ (im Folgenden: Kooperationsvereinbarung) geschlossen, in der es u.a. heißt:

§ 1 Gegenstand der Vereinbarung

(1)      Gegenstand der Vereinbarung ist die gemeinsame Leistungserbringung im Gemeinschaftsbetrieb von A, B und C.

          […]

(2)      Dabei wird durch arbeitsorganisatorische Regelungen sichergestellt, dass jedes Unternehmen im Gemeinschaftsbetrieb weiterhin in die Steuerung der eigenen Arbeitnehmer eingebunden bleibt.

(3)        Die gemeinsame Leistungserbringung spiegelt sich in der Abbildung der arbeitsorganisatorischen Steuerungsstruktur des Gemeinschaftsbetriebs wider (Anlage zu dieser Kooperationsvereinbarung).


In der Anlage 3 zur Kooperationsvereinbarung finden sich Regelungen zur gemeinsamen Steuerung von Betriebsmitteln und eine Übersicht über die Betriebsmittel der Beklagten. Für die einzelnen zu erbringenden Leistungen haben die beteiligten Unternehmen sog. leistungsbezogene Kooperationsverträge geschlossen. Darin sind die Details der Leistungserbringung, der gegenseitig zu erfüllenden Anforderungen, der gemeinsamen Steuerung des Personals und sonstiger Betriebsmittel, der Vergütung, der Haftung, der Laufzeit und Kündigung geregelt worden; diese sind die Basis der Zusammenarbeit der Unternehmen.

Mit Schreiben vom 27.06.2017 hat die Beklagte zu 2) u.a. den Kläger darüber informiert, dass sie gemeinsam mit der Beklagten zu 1) und der B GmbH ab dem 01.07.2017 einen Gemeinschaftsbetrieb bilden werde. Der Kläger ist seit Beginn des Arbeitsverhältnisses zumindest bis zum 30.06.2017 von der Beklagten zu 2) als Zeitarbeitnehmer bei der Beklagten zu 1) und dort im Bereich BVD als Busfahrer eingesetzt worden. Der Kläger begehrt u.a. die Feststellung, dass zwischen ihm und der Beklagten zu 1) wegen der Überschreitung der Überlassungshöchstdauer seit dem 01.10.2018 ein Arbeitsverhältnis besteht.

Die Klage hatte vor dem ArbG Frankfurt a.M. keinen Erfolg. Die hiergegen gerichtete Berufung wurde von dem Hess. LAG zurückgewiesen. Zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) sei nicht kraft gesetzlicher Fiktion gem. § 10 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 9 Nr. 1b AÜG wegen Überschreitung der Überlassungshöchstdauer nach § 1 Abs. 1b AÜG mit Wirkung zum 01.10.2018 ein Arbeitsverhältnis begründet worden, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien.

Gem. § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG gelte ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kunden und dem Zeitarbeitnehmer als zustande gekommen, wenn der Vertrag zwischen dem Personaldienstleister und Zeitarbeitnehmer nach § 9 AÜG unwirksam sei. Dabei sehe § 9 Abs. 1 Nr. 1b AÜG die Unwirksamkeit der Verträge zwischen Verleiher und Entleiher sowie zwischen Verleiher und Zeitarbeitnehmer insbesondere vor, wenn der Verleiher denselben Zeitarbeitnehmer unter Überschreitung der zulässigen Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten nach § 1 Abs. 1b AÜG demselben Entleiher überlasse.

Das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) mit Wirkung zum 01.10.2018 scheitere bereits daran, dass der Kläger seit dem 01.07.2017 von der Beklagten zu 2) bei der Beklagten zu 1) nicht mehr als Zeitarbeitnehmer im Wege der Arbeitnehmerüberlassung, sondern im Rahmen des zwischen den beiden Beklagten und der B GmbH gebildeten Gemeinschaftsbetriebs eingesetzt worden sei.

Bis zum 01.07.2017 sei die individuelle Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten nach § 1 Abs. 1b AÜG bezogen auf den Kläger jedenfalls noch nicht überschritten worden. Die Überlassungszeiten vor dem 01.04.2017 würden gem. § 19 Abs. 2 AÜG bei der Berechnung nicht berücksichtigt. Die individuelle Überlassungshöchstdauer nach § 1 Abs. 1b AÜG sei durch den Einsatz des Klägers bei der Beklagten zu 1) auch zum 01.10.2018 nicht überschritten worden, weil er seit dem 01.07.2017 von der Beklagten zu 2) bei der Beklagten zu 1) im Rahmen des zwischen den beiden Beklagten und der B GmbH gebildeten Gemeinschaftsbetriebs beschäftigt gewesen sei. Zutreffend habe bereits das ArbG Frankfurt a.M. darauf hingewiesen, dass sich der Einsatz von Mitarbeitern als Zeitarbeitnehmer im Wege der Arbeitnehmerüberlassung und ihr Einsatz durch den Vertragsarbeitgeber in einem Gemeinschaftsbetrieb gegenseitig ausschlössen.

Die Anwendung der in der Einleitung dieses Artikels dargestellten Grundsätze ergebe, dass die beiden Beklagten und die B GmbH seit dem 01.07.2017 einen Gemeinschaftsbetrieb bildeten. Sie hätten sich mit der von ihnen abgeschlossenen Kooperations- und der Führungsvereinbarung ausdrücklich vertraglich zur gemeinsamen Betriebsführung verbunden und darin auch die gemeinsame Leitung in personellen und sozialen Angelegenheiten vereinbart. In Umsetzung der schriftlichen Vereinbarungen würden die sozialen und personellen Angelegenheiten institutionell einheitlich für die beteiligten Unternehmen wahrgenommen. Darüber hinaus verfolgten sie unter Zusammenfassung der vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel einen einheitlichen Betriebszweck [Anm.: wird weiter ausgeführt].

Wenn der Kläger meine, ein betriebsmittelarmer Personaldienstleister – wie die Beklagte zu 2) – könne den Betriebsweck der Beklagten zu 1) lediglich durch die Überlassung von Arbeitnehmern zur Arbeitsleistung unterstützen, überzeugt dies nicht. Für das Entstehen eines Gemeinschaftsbetriebs sei nicht entscheidend, ob ein beteiligtes Unternehmen mehr oder weniger Betriebsmittel einbringe; andernfalls könnten Unternehmen, die im unterschiedlichen Umfang Betriebsmittel einbrächten, keinen Gemeinschaftsbetrieb bilden. Im Übrigen dürfte es für die Erreichung eines gemeinsamen Zweckes des Gemeinschaftsbetriebs wenig hilfreich sein, wenn die beteiligten Unternehmen im Gleichklang Betriebsmittel und Mitarbeiter einsetzten. Entsprechend sei für das Entstehen eines Gemeinschaftsbetriebs mehrerer Unternehmen maßgeblich, dass diese Unternehmen die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel zu arbeitstechnischen Zwecken zusammengefasst, geordnet und gezielt einsetzten und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat betriebsbezogen gesteuert werde. Dies sei vorliegend aber der Fall.

Das Urteil vom 15.01.2021 (Az. 3 Sa 1115/19) können Sie hier im Volltext abrufen.

Kommentar von Dr. Alexander Bissels

Das Hess. LAG bestätigt zunächst die ganz herrschende Auffassung, dass sich eine Arbeitnehmerüberlassung und ein gemeinsamer Betrieb gegenseitig ausschließen. In dem Leitsatz der o.g. Entscheidung wird die „wesentliche Erkenntnis“ nochmals sehr plastisch zusammengefasst. Dort heißt es:

„Arbeitnehmerüberlassung i.S.d. AÜG liegt nicht vor, wenn Arbeitnehmer von ihrem Vertragsarbeitgeber in einen Gemeinschaftsbetrieb entsendet werden, zu dessen gemeinsamer Führung sich der Vertragsarbeitgeber und der Dritte rechtlich verbunden haben. In einem solchen Fall begründen auch ein fachliches Weisungsreicht des Dritten und die Zusammenarbeit des Arbeitnehmers mit dessen Arbeitnehmern keine Arbeitnehmerüberlassung i.S.d. AÜG, weil der Vertragsarbeitgeber mit dem drittbezogenen Personaleinsatz (auch) eigene Betriebszwecke verfolgt.“

Dr. Alexander Bissels, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei CMS Hasche Sigle

Der entschiedene Fall belegt eindrucksvoll, dass durch eine entsprechende Gestaltung der Prozesse eine vormals praktizierte Arbeitnehmerüberlassung in einen Gemeinschaftsbetrieb umgestaltet werden kann. Interessant ist die Entscheidung des Hess. LAG allerdings insbesondere vor dem Hintergrund, dass eines der am Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Unternehmen ausschließlich oder zumindest überwiegend Personal, jedoch keine bzw. nur in einem begrenzten Umfang sachliche/n Betriebsmittel einbringt. Hierzu wird in der Literatur darauf verwiesen, dass der Begriff des Gemeinschaftsbetriebs nicht festlege, in welchem Umfang und ob überhaupt von beiden Unternehmen jeweils ein Teil der Betriebsmittel eingebracht werden müsse. Ausreichend sei die gemeinsame Nutzung von Betriebsmitteln zur Verfolgung der arbeitstechnischen Zwecke. Aus diesem Grund soll ein Gemeinschaftsbetrieb unter Beteiligung einer reinen Personalführungsgesellschaft entstehen können. Für dessen Bildung reicht es folglich aus, wenn sich der Beitrag eines am Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Unternehmens darin erschöpft, in diesen eigenes Personal einzubringen (vgl. Panzer-Heemeier/Schwipper, DB 2017, 1584). Entscheidende Voraussetzung für einen Gemeinschaftsbetrieb ist nicht, dass von einem Unternehmen u.a. Sachmittel bereit zu stellen sind; notwendig ist lediglich, dass der Personaleinsatz unternehmensübergreifend von einem institutionell eingerichteten einheitlichen Leitungsapparat im Sinne der gemeinsamen Zweckerreichung im Gemeinschaftsbetrieb gesteuert wird. Dieser Grundsatz wird von dem Hess. LAG in der vorliegenden Konstellation überzeugend und richtigerweise bestätigt.

Vor diesem Hintergrund ist es – insbesondere unter Berücksichtigung der Entscheidung des Hess. LAG – sehr wohl darstellbar, dass ein Personaldienstleister und ein Kunde – ohne die Anwendung der Vorschriften des AÜG – einen Gemeinschaftsbetrieb etablieren, in den der Personaldienstleister schlichtweg Personal einbringt (vgl. Bissels/Falter, MDR 2019, 203; Panzer-Heemeier/Schwipper, DB 2018, 2931). U.a. die gesetzliche Überlassungshöchstdauer ist in diesem Fall nicht zu beachten; dies gilt auch für die zwingende Anwendung des Equal-Pay-Grundsatzes nach dem neunten Einsatzmonat. Dabei ist es auch nicht rechtsmissbräuchlich, den unter Einbindung einer Personalführungsgesellschaft zu bildenden Gemeinschaftsbetrieb zur Senkung der Personalkosten zu nutzen.

Der über die Personalgestellung hinaus gehende, im Gemeinschaftsbetrieb verfolgte Betriebszweck sollte in der Führungsvereinbarung, im Gesellschaftervertrag der Personalführungsgesellschaft und im Handelsregister – optimalerweise vor der Bildung des Gemeinschaftsbetriebs – dokumentiert werden, wie dies in dem Fall vor dem Hess. LAG geschehen ist. Aus der grundsätzlich schriftlich abzuschließenden Führungsvereinbarung sollte sich ergeben, dass eine gemeinsame Willensbildung in den wesentlichen personellen und sozialen Angelegenheiten stattfindet. Dieser gemeinsame Wille sollte sich in einer gemeinsam genutzten Personalabteilung niederschlagen, die für sämtliche in dem Gemeinschaftsbetrieb tätigen Arbeitnehmer zuständig ist und die entsprechenden Arbeitgeberfunktionen in den wesentlichen personellen und sozialen Fragen wahrnimmt.

Insbesondere unter Berücksichtigung der Entscheidung des Hess. LAG ist es sehr wohl darstellbar, dass ein Personaldienstleister und ein Kunde – ohne die Anwendung der Vorschriften des AÜG – einen Gemeinschaftsbetrieb etablieren, in den der Personaldienstleister ausschließlich Personal einbringt.

– Dr. Alexander Bissels

Gemeinschaftsbetrieb unter zwei Personaldienstleistern

Ergänzend können zwei Personaldienstleister ebenfalls einen Gemeinschaftsbetrieb bilden. Nach der richtigen Ansicht des LAG Baden-Württemberg kann es für dessen Bildung wegen der charakteristischen Betriebsmittelarmut der Arbeitnehmerüberlassung nicht auf eine gemeinsame räumliche Unterbringung oder die gemeinsame Nutzung der Betriebsmittel der beteiligten Arbeitgeber ankommen. Entscheidend ist vielmehr, ob ein arbeitgeberübergreifender Personaleinsatz praktiziert wird, der charakteristisch für den normalen Betriebsablauf ist. Wegen der Besonderheiten der Arbeitnehmerüberlassung findet kein arbeitgeberübergreifender Personaleinsatz statt, wenn die jeweiligen Arbeitnehmer zweier Überlassungsunternehmen ausschließlich bei den jeweiligen Kunden ihres Arbeitgebers zum Einsatz kommen und keine wechselseitige Vertretung in Krankheits- oder Urlaubsfällen stattfindet. Auf den arbeitgeberübergreifenden Einsatz der Mitarbeiter des Innendienstes kommt es ebenfalls nicht an. Die Innendiensttätigkeit ist nicht charakteristisch für den normalen Betriebsablauf und stellt sich als unternehmerische Zusammenarbeit (innerhalb eines Konzerns) dar (vgl. LAG Baden-Württemberg v. 06.02.2018 – 19 TaBV 3/17; dazu: Bissels/Falter, jurisPR-ArbR 29/2018 Anm. 2).

Fazit

Letztlich bleibt der Gemeinschaftsbetrieb unter Berücksichtigung der bislang veröffentlichten Entscheidungen ein probates Mittel, um eine Arbeitnehmerüberlassung und die Anwendung der damit zusammenhängenden strengen regulatorischen Bestimmungen des AÜG auszuschließen – insoweit eine rechtliche Gestaltungsform, die sich je nach Sachverhalt anbieten kann, um Arbeitnehmer längerfristig in einem Kundeneinsatz halten zu können.

Das Hess. LAG hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen die Revision zum BAG zugelassen, die inzwischen eingelegt worden ist (Az. 9 AZR 339/21). Erfurt wird vor diesem Hintergrund Gelegenheit haben, sich (erneut) mit der Abgrenzung einer Arbeitnehmerüberlassung von einem Gemeinschaftsbetrieb auseinanderzusetzen.

 

Dieser Artikel wurde von Dr. Alexander Bissels erstellt und erschien zuerst im Newsletter „Infobrief Zeitarbeit“.

Dr. Alexander Bissels

Dr. Alexander Bissels ist Partner und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei CMS Hasche Sigle. Er berät Unternehmen auf sämtlichen Gebieten des Individual- und Kollektivarbeitsrechts, insbesondere zu Fragen im Bereich des Fremdpersonaleinsatzes (Arbeitnehmerüberlassung und Werkvertrag). Dr. Bissels ist Autor zahlreicher Publikationen, u.a. Mitherausgeber eines Standardkommentars zum AÜG. Darüber hinaus hält er regelmäßig Vorträge zu aktuellen arbeitsrechtlichen Themen.

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