16.08.2023
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GVP: Neue Schlagfertigkeit für die Branche durch Bündelung der Ressourcen

  • Nachdem sich die Mitglieder von BAP und iGZ vor einigen Wochen einstimmig für die Gründung eines neuen Verbandes ausgesprochen haben, geht es nun in die praktische Umsetzung.
  • Von technischen Grundlagen über organisatorische Aspekte bis hin zu Kommunikationsaufgaben – auf dem Weg hin zur neuen Organisation gibt es viel zu beachten. Welche Herausforderungen müssen noch gemeistert werden?
  • Mit dem BAP-Präsidenten Sebastian Lazay und dem iGZ-Bundesvorsitzenden Christian Baumann sprachen wir über die nächsten Schritte in Sachen Gesamtverband der Personaldienstleister (GVP), über die Aufgaben und Ziele des neuen Verbandes sowie über die potenziellen Auswirkungen für die Personaldienstleistung.

arbeitsblog: Herr Baumann, Herr Lazay, erst einmal herzlichen Glückwunsch! Die Mitglieder sind Ihrem Appell gefolgt und haben sich einstimmig für die Gründung eines neuen Verbandes ausgesprochen. Damit entsteht bald einer der größten Arbeitgeberverbände in Deutschland. Welche Auswirkungen versprechen Sie sich für die Branche, gerade auch, was die Außenwahrnehmung angeht?

Christian Baumann: Durch die Bündelung der Ressourcen stellen wir eine neue Schlagfertigkeit her – dank einer verbandlichen Organisation, die es für unsere Industrie in dieser Form bislang noch nicht gegeben hat. Das ist für uns und unsere Mitglieder Neuland, denn: Wir haben den Anspruch, nicht einfach das Gleiche zu tun wie bisher – nur eben mit unterschiedlichen Organen. Nein, wir hinterfragen vielmehr kritisch die Vergangenheit und überlegen, welche Strategien, Maßnahmen und Taktiken wir künftig umsetzen, um die Interessen unserer Mitglieder vollumfänglich zu vertreten. Daher erwarten wir, dass die Auswirkungen spürbar sein werden – und zwar zum Positiven, sowohl für unsere Mitglieder als auch in Hinblick auf die Wahrnehmung unserer Industrie auf dem Gesamtmarkt.

arbeitsblog: Vor zehn Jahren gab es bereits eine Abstimmung zum Thema Fusion – das Vorhaben hatte damals jedoch keinen Erfolg. Was glauben Sie, woran liegt es, dass die Entscheidung diesmal so einstimmig positiv ausgefallen ist?

Sebastian Lazay: Hier ist es ganz hilfreich, einen Blick in die Vergangenheit zu werfen. Der BAP etwa hat eine sehr integrative Geschichte. Der Verband ging aus dem Zusammenschluss von AMP und BZA hervor – zwei Organisationen, die ihrerseits ebenfalls durch die Fusionierung ihrer jeweiligen Vorgänger entstanden sind. Kurzum: Der Verband hat seit den 1960er-Jahren eine lange Geschichte des „Sich-immer-wieder-neu-erfindens“. Die Hintergründe von BAP und iGZ sind grundsätzlich verschieden – und das war meiner Meinung nach der wichtigste Grund, warum vor zehn Jahren die Zeit noch nicht reif war. Das Engagement zahlreicher Kolleginnen und Kollegen führte letztlich sowohl inhaltlich als auch menschlich zu einer Annäherung. In meinen Augen war dies der Schlüssel dafür, dass immer mehr Vertrauen wachsen konnte. Im Übrigen bin ich mir sicher, dass der langjährige Austausch zwischen Christian Baumann und mir in dieser Hinsicht auch recht hilfreich war. (lacht)

Durch die Bündelung der Ressourcen stellen wir eine neue Schlagfertigkeit her – dank einer verbandlichen Organisation, die es für unsere Industrie in dieser Form bislang noch nicht gegeben hat.

– Christian Baumann

Christian Baumann (© iGZ)

arbeitsblog: Mit der Abstimmung wurde zwar die Hürde auf dem Weg zum neuen Verband überwunden. Doch die nächsten Wochen werden für Sie sowie Ihre Kolleginnen und Kollegen sicher nicht langweilig. Welche Herausforderungen gilt es, bis zur erfolgreichen Gründung des GVP zu meistern?

Christian Baumann: Wir haben – fast schon frotzelnd – nach dem Mitgliederentscheid gesagt: ‚Jetzt fängt die richtige Arbeit an!‘ (lacht) Davor war es vor allem Kommunikation, Überzeugung und Konzeption – und mit der Legitimation dürfen wir nun wirklich loslegen. Wir müssen beispielsweise unsere IT-Systeme harmonisieren, damit wir perspektivisch in einer gut funktionierenden IT-Systemlandschaft gemeinsam arbeiten können. Darüber hinaus müssen wir personell, insbesondere aus den hauptamtlichen Strukturen, gute Teams bilden. Dabei gilt es, verschiedene Teams, die lange Jahre nicht oder nur in einem Randbereich miteinander gearbeitet haben, quasi in einen neuen Modus Operandi zu überführen. Die Kolleginnen und Kollegen werden in ganz neuen Handlungsfeldern unterwegs sein. Wichtig ist, dass das gegenseitige Vertrauen weiterwächst, ein gemeinschaftliches Führungsverständnis hergestellt und das Leistungsprinzip gestärkt wird.

Auf der ehrenamtlichen Seite betreten wir ebenfalls Neuland. Sebastian hat bereits richtigerweise angemerkt: Wir sind zwar eine lange Zeit gemeinsam in Arbeitsgruppen unterwegs gewesen, aber das waren noch keine Organe eines neuen Gesamtverbandes. Auch hier müssen wir miteinander einen guten Weg finden, um die strategischen Leitlinien des GVP zu entwickeln und eine gemeinsame Richtung festzulegen. Eine weitere Herausforderung: Wir müssen unser neues Label platzieren, um von unseren zentralen Stakeholdern als neuer Akteur wahrgenommen zu werden. Unsere Botschaften müssen wir genauso treffend platzieren, wie wir es bisher als Einzelverbände getan haben – jetzt eben mit der doppelten Kraft.

arbeitsblog: Die Abläufe in den kommenden Monaten werfen bei vielen ganz praktische Fragen auf. Sowohl auf der BAP- als auch auf der iGZ-Website sind bereits ausführliche FAQ veröffentlicht, die vermutlich auch in den nächsten Wochen regelmäßig aktualisiert werden, richtig? Dort steht aktuell der Hinweis, dass ein gemeinsames Tarifwerk mit den Gewerkschaften angestrebt wird. Was schätzen Sie, wann können wir mit ersten weiterführenden Informationen in diesem Zusammenhang rechnen?

Sebastian Lazay: In diesem Zusammenhang muss man zunächst eines sagen: Wir sind alle sehr froh, dass es uns in den letzten Monaten gelungen ist, die seit 2004 bewährte Tarifpartnerschaft der deutschen Zeitarbeit zu erhalten. Denn die sogenannte Däubler-Kampagne stellte eine sehr ernste Bedrohung unserer gesamten Tarifstruktur dar. Ähnlich dramatische Auswirkungen hätte es gehabt, wenn wir keine Einigung mit der IG Metall und der IGBCE zwecks Inflationsausgleichprämie erzielt hätten. Da war sehr viel Dampf auf dem Kessel.

Wann die Tarifverträge zusammengefügt werden, ist noch offen. Im ersten Schritt setzen wir uns mit beiden Tarifkommissionen zusammen, um uns auf eine grobe Strategie zu verständigen. Ich persönlich glaube auch, dass wir das gesamte Tarifwerk in seiner Struktur zumindest mal hinterfragen sollten. Vielleicht gelingt es uns zusammen mit den Gewerkschaften, in den nächsten Jahren ein ganz anderes Regelwerk zu finden, das noch besser die geänderten Interessen von Beschäftigten und Arbeitgebern verbindet. Also, es ist noch alles offen. Wichtig ist, dass wir anfangen zu sprechen. Das wird wahrscheinlich Ende des Jahres bzw. Anfang nächsten Jahres passieren.

Es wird sicherlich eine wichtige Aufgabe des neuen Verbandes sein und bleiben, die breite Akzeptanz für die Personaldienstleistung zu erhalten, zu verteidigen und zu verbessern.

– Sebastian Lazay

Sebastian Lazay (© Steffen Jänicke | BAP)

arbeitsblog: Richten wir den Blick weiterhin in Richtung Zukunft. Welche Ziele haben Sie sich für die nächste Zukunft mit dem neuen Verband (kurzfristig oder langfristig) gesetzt?

Christian Baumann: Im Grundsatz müssen wir einen Schritt zurückgehen. Denn hierbei handelt es sich ja nicht um unsere persönlichen, sondern um die gemeinsamen Ziele eines neuen Verbandes – also um die Ziele von Präsidium, Vorstand und Mitgliederversammlung. Wir werden einen Prozess anregen, kollektiv einen Blick in die Zukunft wagen und auf die potenzielle Entwicklung der Branche blicken. Dabei müssen wir die Faktoren und Entwicklungen berücksichtigen, die einen unmittelbaren Impact auf unser Geschäftsmodell, unsere Geschäftsprozesse sowie auf zukünftige nationale und internationale Märkte haben. Auf dieser Grundlage werden wir überlegen, welche Rolle dieser Verband überhaupt hat. Wie radikal darf die Dienstleistung für eine gesamte Industrie entwickelt werden, um die Wertschöpfung der jeweiligen Mitglieder maximal zu fördern? Um sicherzustellen, dass die Rahmenbedingungen für das betriebliche Handeln uneingeschränkt an den Tag gelegt werden können? Das ist die Basis für die Entwicklung eines klaren Zielkorridors für uns als Verband und aus unserer Sicht das richtige Vorgehen, um sehr klar zu formulieren, was die breite Mitgliederschaft wünscht. Denn: Unsere Mitglieder sind vom Ein-Mann-Betrieb mit 15 Zeitarbeitskräften bis hin zum internationalen Megakonzern komplett bunt gemischt. Hier in einem Duett von Sebastian Lazay und mir Ziele vorzugeben, wäre anmaßend und würde auch unserem Auftrag nicht gerecht werden. Wir beide gestalten den Rahmen, um dann als Branche die Ziele gemeinsam zu entwickeln – und wir versuchen entsprechend, auch die verbandliche Struktur darauf auszurichten, dass diese Ziele erreicht werden können.

Sebastian Lazay: Dem kann ich nur zustimmen. Ergänzend möchte ich noch hinzufügen: Es wird sicherlich eine wichtige Aufgabe des neuen Verbandes sein und bleiben, die breite Akzeptanz für die Personaldienstleistung zu erhalten, zu verteidigen und zu verbessern. Betrachten wir die Pflegebranche als Beispiel: Die Vorwürfe, die der Zeitarbeit gemacht werden – Beschäftigten zu gute Bedingungen zu bieten – sind ja geradezu paradox!

Insgesamt haben wir wirklich große Stärken, vom Recruiting über die Entwicklung bis hin zur Integration von Beschäftigten. Damit können wir einen erheblichen Beitrag zur Linderung des Fachkräftemangels leisten. Wir haben bis jetzt schon viel erreicht, aber mit dem neuen Verband haben wir sicherlich mehr Möglichkeiten, uns breiter zu vernetzen, auch international. Damit wird hier noch mehr neue Energie reinfließen. Darüber hinaus gibt es ein paar praktische Themen wie etwa die Stärkung des Bereichs Personalentwicklung oder die Weiterentwicklung der bereits bestehenden Qualitätsstandards. Hinzu kommen dann noch die internen Aspekte, die ebenfalls geregelt werden müssen – beispielsweise Veranstaltungsformate entsprechend der neuen Struktur anpassen.

Christian Baumann: Zusammenfassend kann man sagen: Diese Aufgabe haben wir sehr gerne angenommen, wir sind uns aber auch der großen Verantwortung bewusst. Gemeinsam mit unseren Kolleginnen und Kollegen aus den hauptamtlichen Strukturen und natürlich den Mitgliedsunternehmen versuchen wir, die bestmögliche Leistung in jeder Hinsicht umzusetzen.

arbeitsblog: Vielen Dank für das Interview!

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