04.02.2021 Edgar Schröder

Meine Devise für die Zeitarbeitsbranche: Sachlichkeit statt Panikmache!

Am 16. Dezember 2020 entschied der 5. Senat des Bundesarbeitsgerichts zu drei Equal-Pay-Klagen im Zuge der sogenannten „Däubler-Kampagne“. Bezüglich einer weiteren Klage ersuchte er den EuGH um eine Vorabentscheidung. Die klagende Zeitarbeitnehmerin argumentiert, die Abweichung vom Gebot der Gleichstellung durch Zeitarbeitstarifverträge sei mit dem Unionsrecht, konkret dem Art. 5 Abs. 1 und Abs. 3 der Richtlinie 2008/104/EG, nicht vereinbar. Auf Basis der Antworten des EuGH wird der 5.Senat eine Entscheidung fällen. In seinem Beitrag ordnet Edgar Schröder die aktuelle Situation ein und sendet eine Botschaft an die Branche.


Es ist unmöglich, eine seriöse, belastbare Vorhersage bezüglich des Ausgangs des Verfahrens zu treffen. Nach meiner Einschätzung haben wir es mit einer „fifty-fifty“ Situation zu tun: Entweder bekommt die deutsche Zeitarbeitsbranche grünes Licht, das bedeutet, der 5. Senat wird auf Basis der Antworten des EuGH die Klage abweisen, oder es kommt symbolisch das rote Licht, weil der Klage der Zeitarbeitnehmerin auf Equal Pay stattgegeben wird.

Das rote Licht würde über den Einzelfall hinaus das Worst-Case-Szenario schlechthin auslösen! Denn der § 8 AÜG würde europarechtswidrig ausgelegt werden. Das Fundament für die Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz (Equal Treatment) durch die Anwendung der Zeitarbeits-Tarifverträge würde implodieren, die arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln dementsprechend ins Leere laufen! Die Zeitarbeitnehmer könnten ihre Personaldienstleister daraufhin ab dem ersten Kundeneinsatztag auf Equal Treatment in Anspruch nehmen.

Es gibt bereits in den sozialen Netzwerken vereinzelte Stimmen, die auf das Sozialversicherungsrecht abzielen und in die Zukunft projizierend mögliche Nachforderungen der entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge seitens der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) im Rahmen von Betriebsprüfungen als Konsequenz andeuten.

Derartige Überlegungen und Hinweise auf die seinerzeitigen Folgen des CGZP-Beschlusses des BAG vom 14.12.2010 bereits zum jetzigen Zeitpunkt lesewirksam über verschiedene Kanäle und Plattformen zu publizieren, schürt extrem die Verunsicherung unternehmerischer Entscheidungsträger. Besser wäre es, zunächst in Ruhe und Besonnenheit die Entscheidungsgründe des BAG abzuwarten und auszuwerten. Der Schutz vor möglicherweise rückwirkendem EU-Recht aufgrund fehlerhafter Umsetzung von EU-Richtlinien seitens des deutschen Gesetzgebers ist nach meiner vorsichtigen Einschätzung deutlich erkennbar auf einer anderen Ebene zu reflektieren als das historische CGZP-Desaster.

Zudem werden die Experten nach Auswertung aller Entscheidungsründe des 5. Senats einschließlich der Parallel-Verfahren hoffentlich meinen ersten positiven Eindruck über die Sitzungsergebnisse zur Sattelfestigkeit von Bezugnahmeklauseln auf die Zeitarbeitstarifverträge bestätigen. Auch die Tariffähigkeit und Tarifzuständigkeit der DGB-Gewerkschaften scheint als Angriffsfläche endlich vom Tisch zu sein.

An dieser Stelle zitiere ich aus dem Kurzbeitrag des prominenten RA Prof. Dr. Jobst-Hubertus Bauer, veröffentlicht in der Zeitschrift Arbeitsrecht Aktuell, 13. Jahrgang, 2021, Seite 44:

Es ist zu hoffen, dass der EuGH die Fragen i. S. d. Entscheidung des LAG beantwortet. Richtig ist, dass Art. 5 III RL 2008/104/EG eine arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die einschlägigen Tarifverträge nicht ausdrücklich gestattet. Der Richtliniengeber hat diese Möglichkeit jedoch auch nicht ausgeschlossen, obwohl er diese Abweichungsmöglichkeit im deutschen System kannte (ErfK/Wank, 21. Aufl. 2021, § 8 Rn. 26).

Der den Mitgliedsstaaten zustehende großzügige Gestaltungsspielraum gestattet m. E. auch die Einführung sog. Erstreckungsklauseln zur arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf die abweichenden Tarifverträge, um eine Umsetzung entsprechend dem nationalen Recht und den nationalen Gepflogenheiten zu ermöglichen (Preis/Sagan/Sansone, Europäisches Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, § 12 Leiharbeit Rn. 12.81). Der EuGH sollte dabei auch berücksichtigen, dass deutsche Leiharbeitnehmer typischerweise keine Gewerkschaftsmitglieder sind und deshalb die Bezugnahme auf Tarifverträge der Normalfall ist.

Daher hier meine Devise für die Zeitarbeitsbranche: Sachlichkeit statt Panikmache!

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