27.02.2024

„Wir werden viel mehr Pflegekräfte benötigen. Zeitarbeit ist da die Lösung.“

  • Der Fachkräftemangel in der Pflege ist ein allgegenwärtiges Thema. Immer mehr Beschäftigte wechseln zur Zeitarbeit, da sie dort teilweise bessere Konditionen und mehr Sicherheiten bekommen.
  • Für die Einrichtungen wiederum ist Zeitarbeit ein zweischneidiges Schwert. Denn sie trägt zur Entlastung der Stammbelegschaft bei, verursacht jedoch gleichzeitig höhere Kosten. In der Folge wird die Diskussion rund um ein mögliches Verbot der Zeitarbeit in der Pflege immer wieder angefacht.
  • Andreas Worch ist mit seinem Unternehmen anbosa Personaldienstleistung in der Arbeitnehmerüberlassung für Pflegekräfte aktiv und teilt mit uns seine Sicht auf das heiß diskutierte, mögliche Verbot der Zeitarbeit in der Pflege.

arbeitsblog: Herr Worch, Sie sind seit zehn Jahren Personaldienstleister. Was hat Sie dazu bewogen, sich auf die Vermittlung von Zeitarbeitskräften in der Pflege zu spezialisieren?

Andreas Worch: Ich bin selbst gelernter Gesundheits- und Krankenpfleger und habe sehr viele Erfahrungen in der Pflege sammeln können. Das Unternehmen wurde gegründet, um Pflegekräften bessere Arbeitsbedingungen zu bieten. Nicht jeder möchte beispielsweise in einem Drei-Schichtsystem arbeiten. Vor allen Dingen wollten wir eine bessere Bezahlung bieten – damals lag das Gehalt in der Festanstellung deutlich unter dem, was es bei uns gab.

arbeitsblog: Für das, was Sie bieten, erwarten Sie sicher auch eine Gegenleistung. Welche Anforderungen und Qualifikationen stellen Sie an die Pflegekräfte, die Sie vermitteln?

Andreas Worch: Wir überlassen bundesweit vor allen Dingen Kranken- und Altenpflegerinnen und -pfleger sowie Pflegeassistenten. Im Moment fokussieren wir uns allerdings auf Berlin und Brandenburg und hier auf die stationäre Langzeitpflege. Unsere Mitarbeitenden müssen grundsätzlich flexibel sein – sowohl zeitlich als auch örtlich. Sie sollten aber auch bereit sein, sich schnell in bestehende Strukturen einzuarbeiten, sich anzupassen und sich immer wieder auf neue Kolleginnen, Kollegen sowie Bewohnerinnen und Bewohner einzulassen.

Andreas Worch

arbeitsblog: Wie stehen die Pflegekräfte, die bei Ihnen angestellt sind, zu ihrer eigenen Tätigkeit in der Zeitarbeit?

Andreas Worch: Tatsächlich sind sehr viele begeistert, in verschiedene Bereiche und Einrichtungen reinschnuppern zu können. Sie kommen viel rum und entdecken ganz neue Aspekte in der Pflege. Es gibt aber auch diejenigen, die auf Dauer lieber in die Festanstellung gehen und dann von Einrichtungen übernommen werden. Bei uns sind das ungefähr 15 bis 20 Prozent der Mitarbeitenden.

arbeitsblog: Wo sehen Sie Chancen, die die Zeitarbeit in der Pflege bietet? Und welche Herausforderungen gibt es, insbesondere in Bezug auf die Bedürfnisse der Einrichtungen und Pflegekräfte?

Andreas Worch: Die Pflegekräfte haben durch die Arbeitnehmerüberlassung die Möglichkeit, ihr eigenes Portfolio in kürzester Zeit zu erweitern und neue Strukturen von verschiedenen Trägern kennenzulernen. Genau das kann für einige auch zur Herausforderung werden. Sie scheitern dann daran, sich schnell in neue Prozesse einzudenken. Wir setzen – neben Berlin – vor allem auch im ländlichen Raum im Land Brandenburg ein. Die Pflegeeinrichtungen können dort fast nur noch auf Zeitarbeit zurückgreifen, weil es einfach keine Pflegekräfte mehr gibt, die auf dem Land bleiben. Der Nachwuchs zieht in die Stadt.

Angesichts der Überalterung unserer Gesellschaft werden wir in Zukunft viel mehr Pflegekräfte benötigen. Zeitarbeit ist da ein Teil der Lösung.

Andreas Worch

arbeitsblog: Ein mögliches Verbot der Zeitarbeit in der Pflege war scheinbar vom Tisch. Durch den Beschluss des Bundesrates zur „Eindämmung der Leiharbeit in der Pflege“ Anfang Februar ist die Diskussion nun wieder angefacht worden. Wie ordnen Sie den Beschluss ein und wie ist ihr Standpunkt dazu?

Andreas Worch: Ich sehe das gelassen, wie auch einige Kollegen, mit denen ich im Gespräch bin. Die Debatte gibt es bereits einige Jahre. Doch schon als Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci 2019 versucht hatte, ein Verbot durchzusetzen, ist sie gescheitert. Ein Verbot ist quasi nicht möglich, da gerade der demographische Wandel nach viel mehr Pflegekräften schreit und dieser meiner Meinung nach ohne Zeitarbeit nicht begegnet werden kann. Denn die Arbeitnehmerüberlassung ist auch immer ein Stück weit Mittel, um Kräfte in der Pflege zu halten.

arbeitsblog: Sollte es dennoch zu einem Verbot kommen, wie würden Sie damit umgehen?

Andreas Worch: Wir werden dann wahrscheinlich auf andere Branchen ausweichen. Tatsächlich schauen wir uns bereits um, um eventuell zu expandieren. Bei einem Verbot würden wir dann einen Richtungswechsel unserer Strategie in Angriff nehmen.

arbeitsblog: Herr Worch, herzlichen Dank für das Gespräch!


Andreas Worch

Andreas Worch ist Geschäftsführer der anbosa Personaldienstleistungen GmbH, die bundesweit aber mit Schwerpunkt im Raum Berlin/Brandenburg tätig ist. Er selbst ist gelernter Gesundheits- sowie Krankenpfleger und studierter Diplom Pflegewirt (FH). Nachdem er mehrere Jahre in unterschiedlichen Pflegeeinrichtungen in Berlin gearbeitet hatte, wechselte er in die Arbeitnehmerüberlassung und gründete gemeinam mit anderen Pflegefachkräften anbosa.

Kontakt

0911974780 info@kontext.com