26.10.2021

David gegen Goliath in der Zeitarbeit

  • In der Zeitarbeitsbranche gibt es wenige große Anbieter und zahlreiche kleinere Unternehmen, die sich auf bestimmte Branchen oder Regionen spezialisiert haben.
  • Im Wettbewerb um die begehrten Fachkräfte können die „Kleinen“ mit ihren ganz individuellen Stärken punkten – doch welche sind das? Und wie lassen sie sich gezielt nutzen?
  • Jochen Garbers, Gründer von kalkool und Preismanager mit jahrelanger Erfahrung in der Zeitarbeit, erklärt, welche Vorteile mittelständische Zeitarbeitsunternehmen bieten und wie diese ihnen zum Erfolg verhelfen.

Dieser Artikel ist für die vielen kleineren oder mittelständischen Unternehmen in der Zeitarbeit, die in ihrer jeweiligen Region gewerbliche Zeitarbeit anbieten – sozusagen die „Davids“ der Branche. Sie kennen die Lünendonk-Liste für die Zeitarbeit. Darauf finden sich die umsatzstärksten 25 Zeitarbeitsfirmen, einige davon – allen voran Platzhirsch Randstad – kann man mit Fug und Recht als „Goliaths“ bezeichnen. Rechnet man in der aktuellen Ausgabe die externen Mitarbeiter für das letzte Berichtsjahr 2020 zusammen, kommt man auf ca. 182.000 Mitarbeiter in den Lünendonk-Unternehmen. Wenn man das auf die Gesamtzahl der Zeitarbeitnehmer in 2020 bezieht – 780.000 – ist das ein Marktanteil von 23 %.

Jochen Garbers

Den letzten Platz in der Lünendonk-Liste hat derzeit die Firma iperdi mit 2.200 externen Mitarbeitern inne. Über 3/4 der Zeitarbeitsunternehmen in Deutschland liegen also unter dieser Marke. Tatsächlich haben die meisten wohl sehr viel weniger Mitarbeiter. Laut iGZ gibt es 11.047 Unternehmen in Deutschland, die Zeitarbeit als hauptsächlichen Geschäftszweck betreiben. Außerhalb der Lünendonk-Liste gibt es also 11.047 minus 25 Unternehmen, die im vergangenen Jahr 780.000 minus 182.000 Mitarbeiter beschäftigten. Bedeutet: Das durchschnittliche Nicht-Lünendonk-Zeitarbeitsunternehmen beschäftigt ungefähr 54 externe Mitarbeiter.

Wir haben in der Zeitarbeit also ganz viele Davids gegen nur wenige Goliaths.

Der Trend scheint sogar für die Davids der Branche zu sprechen. 2015 hatten wir viel mehr Zeitarbeitskräfte (949.000) als im Corona-hier-und-jetzt und die größten 25 Firmen beschäftigten laut Lünendonk-Liste 237.000 externe Mitarbeiter. Der Marktanteil von Club Lünendonk lag damals mit 25 % zwei Punkte höher als aktuell. Das bedeutet, dass die Top 25 in den letzten fünf Jahren sogar etwas Marktanteil verloren haben.

Ein in seiner Region starkes Zeitarbeitsunternehmen hat also guten Grund, auch im Vergleich mit den Goliaths der Branche selbstbewusst aufzutreten. Und das gilt natürlich auch für die Preispositionierung.

– Jochen Garbers

In der Zeitarbeitsbranche können sich die Davids offensichtlich gut gegen die Goliaths behaupten. Woran liegt das?

  • Arbeitsmärkte und damit auch die Zeitarbeit funktionieren regional. Wenn sich ein potenzielles Kundenunternehmen die Frage stellt, wer im Kyffhäuserkreis die stärkste Präsenz im Bewerbermarkt hat, spielen irgendwelche Zahlen aus Gesamtdeutschland oder erst recht international einfach keine Rolle. Es mag eine Firma geben, die national nur ein David ist, aber im Kyffhäuserkreis mit Recht auf Goliath machen kann. Für die Bewerber sieht das ganz ähnlich aus. Sie fragen: „Wer hat in meiner Region den besten Zugang zu den interessanten Arbeitgebern?“. Das muss nicht unbedingt ein nationaler Goliath sein, auch wenn man sagen muss, dass zumindest überregionale Arbeitgeber tatsächlich oft Zeitarbeitsfirmen bevorzugen, die selbst auch überregional unterwegs sind.
  • In der Zeitarbeit gibt es geringe Skaleneffekte. Das bedeutet, dass die Goliaths nur relativ geringe Kostenvorteile ausspielen können. Zeitarbeit ist nun einmal ein „people‘s business“. Hier ist es vor allem menschliche Arbeit, die den Unterschied macht. Solange es noch keine künstliche Intelligenz gibt, die Rekrutierungsgespräche führt, zu einem persönlichen Kundentermin fährt oder eine Lohnabrechnung erklärt, dürfte der Produktionsfaktor Mensch in der Zeitarbeit weiter eine große Rolle spielen. Und seien wir doch mal ehrlich: Das finden wir ja auch gut so.

Ein in seiner Region starkes Zeitarbeitsunternehmen hat also guten Grund, auch im Vergleich mit den Goliaths der Branche selbstbewusst aufzutreten. Und das gilt natürlich auch für die Preispositionierung. Niemand braucht ein Einkäufer-Argument der Sorte: „Goliath-Firma XY bietet das zum Verrechnungssatz von X an, also erwarten wir von Ihnen einen Preis unter X“ zu akzeptieren.

Mein Eindruck ist, dass die kleinen oder mittelständischen Unternehmen oft sogar eine kleine Prämie gegenüber den Großen raushandeln können. Warum?

  • Sie sind der Spezialist für die Region, um die es geht. Mitarbeiter und Führungskräfte kennen die Region aus dem Effeff: das bringt Präsenz, Kenntnisse und Verbindungen.
  • Sie sind effektiv in der Rekrutierung, weil sie schnell und flexibel sind. Automatische Reaktionen wie Standardmails etc. können die Großen vielleicht besser, aber darum geht es nicht. Entscheidend ist, wie schnell ein positiver, persönlicher Kontakt zustande kommt und wie lange die Zeitarbeitsfirma braucht, bis sie ein Angebot machen kann.
  • Sie realisieren exzellente Servicequalität für Kunden durch kurze Wege zu Entscheidern und Mitarbeitern. „Inhabergeführt“ hat immer noch einen guten Klang, und zwar nicht ohne Grund.
  • Sie haben keinen Stab an Marketing-Experten, die für sie das „Employer Branding“ machen. Aber das brauchen Sie auch gar nicht. In einem stärker „familiär“ geprägten Umfeld können sie durch bessere Betreuung und höhere Wertschätzung punkten. Also kündigen die Mitarbeiter seltener, werden weniger krank und empfehlen die Firma als Arbeitgeber weiter.

Mir gefällt es, dass die Zeitarbeitsbranche kleinen, mittelständischen und regional fokussierten Unternehmen eine Chance gibt, erfolgreich zu sein. Das sollte auch auf die Tools zutreffen, die in der Zeitarbeit zum Einsatz kommen. Beispiel kalkool: Mir war es wichtig, dass auch kleinere Firmen sich das Tool leisten können – damit auch die „Davids“ eine Möglichkeit haben, bei der Preiskalkulation sogar professioneller zu arbeiten als die „Goliaths“.

 

Dieser Artikel wurde von Jochen Garbers verfasst und erschien zunächst im kalkool-Blog.

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