28.02.2022 Edgar Schröder

Deal auf Kosten der Zeitarbeit? Edgar Schröder zu den Kurzarbeitergeldregelungen

Wie kam es dazu, dass die Regelungen zum Kurzarbeitergeld branchenübergreifend verlängert wurden – mit Ausnahme der Zeitarbeit? Ein Kommentar von Edgar Schröder

 

Wie bereits am 18. Februar 2022 berichtet, beschloss der Bundestag, die Sonderregeln für die Kurzarbeit bis zum 30. Juni 2022 zu verlängern.

Der Änderungsantrag seitens der CDU/CSU-Fraktion, per Gesetzesänderung im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz den Zugang zu den Kurzarbeitergeldregelungen gleichfalls für die Zeitarbeitsbranche zu verschaffen, scheitert an den Parteien der regierenden Ampel-Koalition.

Die Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/Die Grünen argumentierten in ihren Stellungnahmen dagegen, siehe Bundestag-Drucksache 20/734.

Obgleich die Zeitarbeitsbranche von ihren Sozialparteien der DGB-Gewerkschaften volle Unterstützung erhielt:

„Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften halten die Weitergeltung der Kurzarbeitsregelungen auch in der Leiharbeit […] für unbedingt erforderlich, da in dieser Branche sonst eine Entlassungswelle droht. Es ist unverständlich, warum die Leiharbeit ausgerechnet jetzt mitten in einer Phase von Lieferkettenengpässen außen vorgelassen werden soll.“

Auch die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. argumentierte zugunsten der Zeitarbeitskräfte:

„Aufgrund der volatilen Situation, die sich für die Betriebe durch die gestörten Lieferketten ergibt, sollte weiterhin auch für die Zeitarbeitskräfte der Zugang zur Kurzarbeit möglich sein. Durch das volatile Gesamtumfeld muss ein flexibler Personaleinsatz möglich bleiben, vor allem im Hinblick auf den Corona bedingten Ausfall vieler Mitarbeiter*innen.“

Der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e. V. (iGZ) konnte seine umfassende Stellungnahme abgeben, auszugsweise Wiedergabe:

„Die Zeitarbeitsbranche ist weiterhin in gleicher Weise wie deren Einsatzbranchen von den Auswirkungen in der Pandemie betroffen. Deswegen appellieren wir an den Gesetzgeber, die Sonderregelungen auch für die Zeitarbeit fortzusetzen. Die Funktion des Kurzarbeitergeldes – Arbeitsplätze zu sichern – hat auch für die Arbeitnehmer in der Zeitarbeit positiv gewirkt. Die Zeitarbeitsbranche ist mit dem Instrument der Kurzarbeit verantwortungsvoll umgegangen […]“

Diesen Fürsprachen hielt ausgerechnet die Bundesagentur für Arbeit (BA) vehement dagegen:

„Die pandemische Lage entspannt sich, Öffnungsszenarien, z. B. im Einzelhandel, in der Veranstaltungsbranche oder der Gastronomie, sind in der Diskussion. Dies wirkt sich positiv auf die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt aus. Letzterer zeigt sich in relativ stabiler Lage, Fachkräfte werden in verschiedenen Branchen dringend gesucht. Dies spricht dafür, dass Zeitarbeitsunternehmen Möglichkeiten haben, ihren Arbeitskräften adäquate Beschäftigungsangebote zu unterbreiten. Insofern zeichnet sich insgesamt eine arbeitsmarktliche Entspannung im Frühjahr ab.

Mit Blick auf diese Entwicklung ist es für die BA nachvollziehbar, dass die Verleihunternehmen ab dem 1. April 2022 das für die Arbeitnehmerüberlassung typische Risiko schwankender Beschäftigungsmöglichkeiten wieder selbst tragen sollen. Die Öffnung des Kurzarbeitergeldes für die Leiharbeit war auf eine krisenhafte Zeit mit außergewöhnlichen Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Arbeitsmarkt beschränkt. Eine Verlängerung des Anspruchs auf Kurzarbeitergeld für Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer ist daher und mit Blick auf den Fachkräftemangel nicht erforderlich.“

Vor dem Hintergrund dieser kontroversen Erörterungen verwundert es die betroffenen Personaldienstleister umso mehr, dass die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), als Spitzenverband der gesamten deutschen Wirtschaft, hierzu nicht pro Zeitarbeit unmissverständlich Position bezieht.

Gleichermaßen enttäuschend ist die Zurückhaltung der FDP-Fraktion als Koalitionspartei der Ampel-Regierung. Auch in deren Stellungnahme wird die Zeitarbeitsbranche sozusagen „ausgeblendet“, vgl. Seite 12 und 13 der Bundestags-Drucksache 20/734.

Woran mag das liegen?

Edgar Schroeder

Rein spekulativ vermute ich, dass hinter den Kulissen ein Deal auf Kosten der Zeitarbeit verständigt wurde.

In der Beratung sowie öffentlichen Anhörung von Sachverständigen im federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales zum Gesetzentwurf der Ampel-Koalition zur Verlängerung der Sonderregeln für das Kurzarbeitergeld initiierte der BDA „lautlos“ den Vorstoß zur elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU). Der gesetzlich zum Stichtag 1. Juli 2022 terminierte Start des digitalen Arbeitgeber-Abrufverfahrens soll um ein halbes Jahr auf den 1. Januar 2023 verschoben werden.

Dieser versteckte Änderungsantrag, der thematisch in keinen Kausalzusammenhang zur Kurzarbeit steht, war in der Tat erfolgreich.

Der ursprüngliche Gesetzentwurf wurde kurzerhand durch die Artikel 4b, 4c und 4d ergänzt. Diese Vorgehensweise wird als „Omnibusverfahren“ bezeichnet, weil dadurch verschiedene sachlich nicht zusammenhängende Sachverhalte geregelt werden. Auf diese Art und Weise können Gesetzesänderungen durchgeführt werden, welche in einer Einzelfallentscheidung durchfallen würden, im Paket aber angenommen werden, damit die strittigen Punkte auch gegen die Überzeugung der Mehrheit im Parlament „durchkommen“.

Damit kein Missverständnis aufkommt. Ich persönlich halte die Verlängerung der Pilotphase für das elektronische Abrufverfahren der Arbeitsunfähigkeitsdaten von der Sache her für absolut gerechtfertigt.

Mich ärgert kolossal dieser „Kuhhandel“ auf Kosten der Zeitarbeit!

Und die FDP geht diesen Kompromiss ohne erkennbare Widerstände ein.

Einfach unglaublich!


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