„Der größte Fehler ist, den Nutzen von KI falsch einzuschätzen.“
- In der Personaldienstleistung wird wieder deutlich aktiver verkauft – per Telefon, im Außendienst und zunehmend über digitale Kanäle. KI-gestützte Tools eröffnen hier neue Möglichkeiten, ersetzen aber nicht die persönliche Ansprache.
- Die moderne Vertriebsarbeit lebt von guter Datenqualität und Führungskräften, die ihre Teams befähigen, diese Informationen sinnvoll zu nutzen.
- Im Interview erklärt Profitask-Gründer Axel Walz, warum der Vertrieb ein People Business bleibt und welche Faktoren in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit und wachsender Komplexität entscheidend sind.
arbeitsblog: Axel, du hast bereits im Frühjahr betont, dass sich der Vertrieb in der Personaldienstleistung neu aufstellen muss. Was hat sich seither konkret verändert?
Axel Walz: Am deutlichsten spürbar sind die steigenden Vertriebsaktivitäten. Es wird wieder deutlich mehr Vertrieb gemacht – und dabei nutzen Personaldienstleister unterschiedlichste Kanäle. Das reicht von klassischer Telefonakquise, Terminierung und Profilvertrieb bis hin zu KI-gestützten Wegen, etwa bei der Erstansprache oder der Identifikation potenzieller Kundenunternehmen.
arbeitsblog: Viele Personaldienstleister sprechen davon, dass man den „Vertrieb neu denken“ muss. Was bedeutet das für Sie praktisch im Alltag einer Niederlassung?
Axel Walz: Oft wird „neu denken“ mit der Hoffnung verwechselt, dass KI den Vertrieb übernimmt. Dann müsste man keine Akquise mehr machen – und auch niemanden mehr dazu motivieren. Das ist ein Irrtum.
Neu denken heißt für mich, die Vernetzung zwischen Mensch und KI neu aufzustellen. Daten müssen zielgerichtet genutzt werden. Was ich momentan häufig sehe: Man sammelt Daten mit KI, greift dann aber zum Hörer und telefoniert genau wie vor fünf Jahren.
Viele Unternehmen denken viel über Tools und Datenerhebung nach, aber zu wenig darüber, wie man das Wissen tatsächlich in Handeln übersetzt.
arbeitsblog: Welche Rolle spielen heute Daten, CRM-Systeme und digitale Tools – und wo stößt die Technologie an ihre Grenzen?
Axel Walz: Die Technologie selbst stößt an keine Grenzen, aber die Nutzer*innen und Führungskräfte setzen ihr welche. Noch immer werden rund 80 Prozent der CRM-Systeme schlecht gepflegt. „Shit in, shit out“ gilt heute mehr denn je.
Daten zu sammeln, ist das eine. Sie aufzubereiten, zugänglich zu machen und zielgerichtet einzusetzen, das andere. Viele Unternehmen denken viel über Tools und Datenerhebung nach, aber zu wenig darüber, wie man das Wissen tatsächlich in Handeln übersetzt. Die Hoffnung ist oft: „Das läuft schon von allein.“ Tut es aber nicht.
arbeitsblog: Wie verändern sich die Kundengespräche? Sind klassische Telefonate und Außentermine noch zeitgemäß?
Axel Walz: Absolut. Heute kann man viel besser vorbereitet ins Gespräch gehen. Wenn ich weiß, mit wem ich spreche und welche Bedarfe bestehen, starte ich kein Kaltgespräch, sondern einen gut informierten Dialog.
Und weil Dienstleistung immer ein People Business bleibt, ist der persönliche Kontakt am Ende entscheidend. Telefonate und Termine vor Ort sind nicht überholt – ganz im Gegenteil: Sie machen oft den Unterschied zwischen Vertrauen und Desinteresse.
arbeitsblog: Ein großes Thema ist Führung: Wie müssen Vertriebsleiter*innen heute steuern, coachen und motivieren?
Axel Walz: Führung ist heute gefragter denn je, da Vertrieb ohne Führung selten gut endet. Automatisierung und KI machen vieles komplexer und Mitarbeitende brauchen Orientierung.
Führung heißt heute, Verantwortung zu übernehmen, Wege vorzugeben, zu begleiten, Ergebnisse zu reflektieren und nachzusteuern. Der Mechanismus ist nicht neu, aber die Komplexität ist gewachsen. Je mehr Daten und Möglichkeiten, desto mehr potenzielle Fehlerquellen. Wenn man das lieber „Begleitung“ nennen möchte, gern – entscheidend ist, dass jemand führt.
Die KI kann zwar unterstützen, aber sie ersetzt nicht den Menschen, der daraus Schlüsse zieht und handelt.
arbeitsblog: Welche Kennzahlen oder Erfolgskriterien hältst du heute für wirklich aussagekräftig und welche sind deiner Ansicht nach überholt?
Axel Walz: Viele Unternehmen haben heutzutage zu viele KPIs. Die fatale Konsequenz: Mitarbeitende arbeiten nicht mehr auf ein Ziel hin, sondern nur, um Vorgaben zu erfüllen.
Grundsätzlich braucht es Vorgaben und Kontrolle in drei Bereichen:
- Menge, darunter auch Vertriebsorganisation: Wer macht was, wann und wie häufig?
- System, also CRM: Wie transparent ist dieses? Wie werden Daten gepflegt und genutzt?
- Qualität, sprich Reflexion der Ergebnisse: Sind Anpassungen der Strategie notwendig? Welche Schritte müssen als Nächstes unternommen werden?
arbeitsblog: Wo siehst du aktuell die größten Fehler, die Personaldienstleister im Vertrieb machen?
Axel Walz: Der größte Fehler ist, den Nutzen von KI falsch einzuschätzen. Viele glauben, sie sei der „Glücksbringer“ und erledige den Vertrieb von selbst. Tatsächlich werden vorhandene Informationen oft unzureichend genutzt. Die KI kann zwar unterstützen, aber sie ersetzt nicht den Menschen, der daraus Schlüsse zieht und handelt.
arbeitsblog: Wie wirkt sich der politische und gesellschaftliche Druck auf die Zeitarbeit (Regulierung, Image, Tarifbindung) auf den Vertrieb aus?
Axel Walz: Der politische Druck ist hoch. Seit der Einführung der Höchstüberlassungsdauer 2017 und den überproportionalen Tarifabschlüssen hat sich die Branche nahezu halbiert. Das erhöht den Wettbewerbsdruck enorm. In der Folge wird so viel Vertrieb gemacht wie lange nicht, was zu einer gewissen Übersättigung führt. Viele Ansprechpartner*innen sind genervt von ständigen Anrufen. Deshalb ist Qualität wichtiger als Quantität: Ruft an, wenn wirklich Bedarf besteht, mit klarem Anlass und Mehrwert.
Gesellschaftlichen Druck spüre ich persönlich nicht. Ich spreche mit Unternehmen, für die unsere Dienstleistung relevant ist. Meinungen von außen sind Meinungen – kein Wissen.
Interessant ist die Entwicklung bei der Tarifbindung: Durch die hohen Abschlüsse kann es in unteren Entgeltgruppen (EG 1 & 2) sinnvoll sein, über Equal Treatment nachzudenken. Das kann teils günstiger und einfacher in der Abrechnung sein.
arbeitsblog: Wenn du drei strategische Maßnahmen nennen müsstest, mit denen Personaldienstleister ihren Vertrieb zukunftsfähig machen, welche wären das?
Axel Walz: In meinen Augen gibt es hier drei wichtige Punkte:
- KI gezielt nutzen, um relevante Informationen zu sammeln und die richtigen Ansprechpartner*innen sowie Bedarfe zu identifizieren.
- Vertriebswege kombinieren und alles, was Reichweite und Beziehungen schafft, nutzen – von Telefon über E-Mail-Marketing und Social Media bis hin zum Außendienst.
- In Menschen investieren und Schulungen, Trainings sowie Controlling fest verankern. Nur wer regelmäßig trainiert, bleibt wirksam.
arbeitsblog: Zum Abschluss: Wie sieht deiner Meinung nach der Vertrieb in der Personaldienstleistung im Jahr 2026/2027 aus?
Axel Walz: Es wird nicht leichter. Wirtschaftlich sehe ich keine schnelle Entspannung. Künftig werden Nehmerqualitäten, Ausdauer und Hartnäckigkeit entscheidend sein. Wer aufgibt, wird verlieren. Nur wer dranbleibt, hat die Chance, zu den Gewinnern zu gehören.
arbeitsblog: Vielen Dank für das Gespräch!