Finanzierungsfehler vermeiden: Wie Personaldienstleister nachhaltig wirtschaften können
- Viele Personaldienstleister bewegen sich auf einem schmalen Grat: Einerseits wächst die Nachfrage nach flexiblen Beschäftigungsmodellen, andererseits setzen steigende Löhne, Bürokratie und lange Zahlungsziele die Branche unter Druck.
- Finanzierungsfehler können dabei schnell existenzgefährdend werden.
- Wolfgang Roell von EKF Finanz Frankfurt kennt die größten Stolperfallen. Im Gespräch erklärt er, wie Personaldienstleister Risiken vermeiden und langfristig wirtschaftlich stabil bleiben können.
arbeitsblog: Herr Roell, welche Finanzierungsfehler sehen Sie in der Personaldienstleistung am häufigsten?
Wolfgang Roell: Ein Klassiker ist die Abhängigkeit von wenigen Großkunden. Wenn 40 oder 50 Prozent des Umsatzes an einem einzigen Auftraggeber hängen, ist das ein enormes Klumpenrisiko. Fällt dieser Kunde weg oder zahlt verspätet, gerät das gesamte Unternehmen ins Wanken.
Ein zweiter Fehler liegt in der falschen Kalkulation von Zahlungszielen. Viele unterschätzen, dass sie Löhne sofort zahlen müssen, während Kunden oft erst nach 30, 60 oder sogar 90 Tagen überweisen. Wer hier nicht vorausschauend plant, landet schnell in einer Liquiditätsfalle. Und drittens sehe ich oft ein fehlendes Risikomanagement, also keine Bonitätsprüfung neuer Kunden oder kein ausreichender Puffer für unerwartete Ausfälle.
arbeitsblog: Können Sie ein Beispiel für die Folgen solcher Abhängigkeiten nennen?
Wolfgang Roell: Ich erinnere mich an einen mittelständischen Personaldienstleister, der mehr als die Hälfte seines Umsatzes über einen einzigen Automobilzulieferer generierte. Als dieser plötzlich seine Bestellungen drastisch reduzierte, brach der Cashflow weg. Der Dienstleister musste weiterhin Löhne für hunderte von Mitarbeitern vorfinanzieren, ohne dass finanzielle Mittel aus Rechnungen/Forderungen eingingen. Das hat das Unternehmen beinahe die Existenz gekostet.
Die Lehre daraus ist klar: Umsatz sollte, wenn immer möglich, breit gestreut sein, auch wenn es verlockend ist, sich auf einen „großen Fisch“ zu verlassen.
arbeitsblog: Kommen wir konkreter auf das Thema Zahlungsziele zu sprechen. Gerade diese sind für viele ein Dauerproblem. Wo machen Personaldienstleister hier Fehler?
Wolfgang Roell: Der größte Fehler ist, die Diskrepanz zwischen sofortiger Lohnzahlung und verzögerter Kundenzahlung zu unterschätzen. Viele planen zu optimistisch und gehen davon aus, dass Rechnungen pünktlich eingehen. Die Realität sieht oft anders aus: Es reicht ein verspäteter Zahlungseingang und schon entsteht ein Finanzloch.
Ein zweiter Fehler ist, Zahlungsziele als gegeben zu akzeptieren, ohne zu verhandeln. Gerade kleinere Dienstleister scheuen oft davor zurück, mit Kunden über realistischere Fristen zu sprechen. Dabei kann man hier durchaus Gestaltungsspielraum haben.
Nachhaltiges Wirtschaften ist daher kein „Nice-to-have“, sondern eine echte Überlebensstrategie.
arbeitsblog: Wie lässt sich diese Lücke planbarer schließen?
Wolfgang Roell: Wichtig ist eine realistische Kalkulation, die nicht vom Idealfall ausgeht, sondern auch Verzögerungen berücksichtigt. Zudem sollten Dienstleister verschiedene Finanzierungsinstrumente kennen und nutzen: Factoring, um aus Rechnungen sofortige Liquidität zu generieren, klassische Betriebsmittelkredite – oder auch eine Kombination aus beidem.
Ebenso wichtig ist die frühzeitige Kommunikation mit Kunden: Wer transparent macht, dass er auf planbare Zahlungsströme angewiesen ist, wird oft ernster genommen.
arbeitsblog: Welche Tipps würden Sie Geschäftsführern geben, die Fehler vermeiden und nachhaltig wirtschaften wollen?
Wolfgang Roell: Ganz wichtig ist: Kennen Sie Ihre Zahlen. Viele Entscheidungen werden nach Bauchgefühl getroffen, obwohl sauberes Reporting und Controlling längst verfügbar wären. Planen Sie außerdem konservativ. Rechnen Sie lieber mit längeren Zahlungszielen und bauen Sie Puffer ein. Und nutzen Sie externe Expertise. Ob Steuerberater, Finanzierungspartner oder spezialisierte Dienstleister – niemand muss alles allein stemmen. Externe Sparringspartner helfen, Fehler frühzeitig zu erkennen.
arbeitsblog: Wenn Sie in die Zukunft schauen: Welche finanziellen Herausforderungen kommen auf die Branche zu?
Wolfgang Roell: Ich sehe drei große Themen: steigende Personalkosten durch Tarifabschlüsse und Sozialabgaben, zunehmender Wettbewerbsdruck – gerade in Ballungsräumen – und die Unsicherheit in vielen Kundensektoren, von der Automobilindustrie bis hin zur Pflege. Wer jetzt solide Finanzstrukturen aufbaut, ist für diese Unsicherheiten besser gewappnet. Nachhaltiges Wirtschaften ist daher kein „Nice-to-have“, sondern eine echte Überlebensstrategie.
arbeitsblog: Vielen Dank für das Gespräch!
Wolfgang Roell
Seit 2011 gehört Wolfgang Roell zum Team der EKF Finanz Frankfurt GmbH und leitet den Bereich Marketing und Vertrieb. Das 1927 gegründete Unternehmen, führendes Mitglied im Bundesverband Factoring für den Mittelstand, bietet unterschiedliche, auf den Kunden zugeschnittene Leistungen an – von Part-Service-, Auswahl- und Inhouse-Factoring bis hin zum Full-Service-Factoring, unter anderem speziell für die Personaldienstleistung.