29.09.2020 Redaktion arbeitsblog

„Geht nicht und bettelt nach Ideen, sondern nutzt eure eigenen“

  • Dr. Gerhard Wohland beschreibt sich als Entwickler für Denkwerkzeuge zur Lösung von Problemen. Eines der Hauptprobleme von Unternehmen sei deren mangelnde Dynamikrobustheit: „Statt die Dynamik, die im Marktumfeld herrscht, zu nutzen, leiden viele Unternehmen darunter.“
  • Bei dynamikrobusten Personaldienstleistern werde man kein kopierbares Wissen als Ursache finden. Sondern Talente, die in der Lage sind, immer wieder passende Ideen zu entwickeln, erklärt Dr. Wohland
  • Führungspersönlichkeiten, so Dr. Wohland, kommen dabei eine besondere Bedeutung zu: „Sie bewirken, dass die Kraft, die ein Unternehmen bei der Problemlösung entfalten kann, auf ihr Maximum gehoben wird“
Dr. Gerhard Wohland entwickelt Denkwerkzeuge, die seinen Kunden bei der Lösung unternehmensspezifischer Probleme helfen.

Dr. Gerhard Wohland vom Institut dynamikrobust nennt die Dinge beim Namen: „Nur, weil man ein Problem heute nicht mehr Problem nennt, sondern Herausforderung, heißt das noch lange nicht, dass es kein Problem mehr ist.“ Für seine Kunden entwickelt der Physiker und lernende Berater Denkwerkzeuge, die ihnen bei der Lösung unternehmensspezifischer Probleme helfen. Oft geht es dabei darum, sich für die Dynamik, die im Marktumfeld herrscht, zu rüsten. Was das konkret für die Personaldienstleistung bedeutet, erklärt er im Interview.

arbeitsblog: Berater und Coaches nennen Probleme gerne Herausforderungen. Sie lehnen das ab. Warum?

Dr. Wohland: Es gibt eine Tradition in der jüdischen Philosophie, die davon ausgeht, dass Begriffe die Wirklichkeit des Bezeichneten mitbestimmen. Das heißt: Wenn der Name eines Gegenstandes verändert wird, verändert sich auch der Gegenstand. Irgendwie hat sich diese Auffassung in der klassischen Beratung festgesetzt. Sodass man meint, wenn man etwas nicht mehr Problem nennt, sondern Herausforderung, ist es nicht mehr so schlimm. Als Theoretiker kann ich damit nichts anfangen. Ich habe einen Begriff, der heißt Problem. Ein Problem ist ein Zustand, den man nicht lassen kann, wie er ist – denn sonst entsteht Schaden.

arbeitsblog: Würden Sie sich selbst denn als Berater bezeichnen?

Dr. Wohland: Da kein anderer Begriff zur Verfügung steht, muss ich das, was ich tue, Beratung nennen. Im Grunde genommen bin ich aber Hersteller und Lieferant für Denkwerkzeuge zur Lösung von Problemen. Das heißt, eine Beziehung zu einem Kunden beginnt bei mir immer mit der Klärung der Frage: Habt ihr ein Problem – und wenn ja, welches?

arbeitsblog: Ist mangelnde Dynamik oft ein Teil des Problems?

Dr. Wohland: Ich würde nicht mangelnde Dynamik sagen, sondern mangelnde Dynamikrobustheit. Dynamik wird im Umfeld der Unternehmen erzeugt. Die wichtigste Umgebung ist der Markt – er besteht aus Kunden, Interessenten und Konkurrenten. Die Art und Weise, wie diese Komponenten miteinander umgehen, bestimmt das Niveau der herrschenden Dynamik. Ein Unternehmen kann diese Dynamik entweder nutzen, dann ist es dynamikrobust. Oder es leidet unter dieser Dynamik. Das ist der typische Zustand der meisten Unternehmen heute.

Eine Führungspersönlichkeit löst keine Probleme, sie navigiert nicht, sie steuert nicht. Sie bewirkt, dass die Kraft, die ein Unternehmen bei der Problemlösung entfalten kann, auf ihr Maximum gehoben wird.

– Dr. Wohland erklärt, was eine Führungspersönlichkeit ausmacht:

arbeitsblog: Was zeichnet einen dynamikrobusten Personaldienstleister aus?

Dr. Wohland: Wenn wir über der Personalvermittlungsbranche sprechen, müssten wir herausfinden, was Dynamik dort bedeutet. Sicher ist: Sie besteht aus Überraschungen. Wir müssen uns also fragen: Welche Überraschungen passieren in der Branche? Welche sind typisch? Ein Kunde bestellt zum Beispiel 100 Ingenieure. Zwei Wochen später braucht er dann auf die Schnelle 200 weitere. Oder gar keine mehr, sondern 50 Handwerker. Sind das typische Überraschungen, mit denen man rechnen muss? Wenn ja, dann sind Personaldienstleister, die locker damit fertigwerden, die dynamikrobusten Unternehmen der Branche. Wer verstehen will, was diese Unternehmen auszeichnet, muss sie besuchen und lernen. Er wird kein kopierbares Wissen als Ursache finden, sondern Talente mit immer wieder passenden Ideen.

arbeitsblog: Einer Zeitarbeitsfirma, die bisher hauptsächlich Personal für Messen vermittelt hat, brechen durch die Corona-Krise plötzlich alle Aufträge weg. Welche Werkzeuge können Sie dem Unternehmen in der akuten Krise an die Hand geben?

Dr. Wohland: Zum Beispiel die Frage: ‚Was ist ein Unternehmer?‘. Die Antwort: ‚Meist eine Person, die beim Aufbau eines Unternehmens schon viele Krisen erlebt und vor allem überlebt hat.‘ Sich das ins Gedächtnis rufen, ist schon viel wert.

Beim österreichischen Tourismusverband hatten wir ein ähnliches Problem: ‚Plötzlich sind keine Gäste mehr da – was machen wir?‘ Dort wurden Unternehmer gesucht, die bereits spezielle Krisenideen für dieses Problem verfolgten. Dem Touristikverband wurde vorgeschlagen, Positivbeispiele zu finden und zu propagieren, um den Mitgliedern Mut zu machen und ihnen zu zeigen, dass es geht. Zu sagen: ‚Liebe Unternehmer, ihr seid Leute, die gerade in solchen aussichtslosen Situationen Ideen entwickeln. Ihr müsst euch nur daran erinnern, dass ihr Typen seid, die das draufhaben! Also geht nicht und bettelt nach Ideen, sondern nutzt eure eigenen.‘ Daraufhin wurden in Österreich Lokalkonzepte entwickelt. So wird natürlich nicht die wirtschaftliche Kraft von vorher erreicht. Aber die Chance, zu überleben, steigt.

arbeitsblog: Wie kann eine Führungspersönlichkeit dazu beitragen, ein Unternehmen durch die Krise zu bringen?

Dr. Wohland: Eine Führungspersönlichkeit kann nur dafür sorgen, dass die Mitarbeiter sich auf hohem Niveau mit den Problemen des Unternehmens auseinandersetzen. Führungspersönlichkeiten sind zum Beispiel solche, die ‚Teams stiften‘ können. Klassische Beratung geht ja davon aus, dass man Teams mit irgendwelchen Tricks ‚machen‘ kann. Das ist Unsinn. Teams entstehen immer dadurch, dass es Menschen gibt, die einfach dadurch, dass sie sind, wie sie sind, Hochleistungssozialsysteme stiften. Genau das tut eine Führungspersönlichkeit. Sie löst keine Probleme, sie navigiert nicht, sie steuert nicht. Sie bewirkt, dass die Kraft, die ein Unternehmen bei der Problemlösung entfalten kann, auf ihr Maximum gehoben wird.


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