05.11.2018 Redaktion arbeitsblog

Ingrid Hofmann: „Letztendlich ist es learning by doing.“

  • Ingrid Hofmann, geschäftsführende Gesellschafterin von Hofmann Personal, konstatiert: Die Zeitarbeitsbranche tut, was sie kann, um Flüchtlinge in Arbeit zu bringen
  • Allein mit Geflüchteten wird sich der Fachkräftemangel nicht beseitigen lassen – hierfür fehlt es oft an Schulabschlüssen und Qualifikationen
  • Das ‚Problem‘ der fehlenden Qualifikationen lässt sich mildern, indem die Menschen in Arbeit gebracht werden. Dort sammeln sie Erfahrungen, tauschen sich mit Kollegen aus und fassen im Berufsleben Fuß
  • Von der Politik wünscht sich Ingrid Hofmann unter anderem eine Vereinheitlichung der Antragsformulare und eine größere Bereitschaft, pragmatische Lösungen vor Ort zu finden

Ingrid Hofmann – geschäftsführende Gesellschafterin der I. K. Hofmann GmbH, besser bekannt als Hofmann Personal – spricht im Interview über das Potenzial und die Grenzen der Zeitarbeit bei der Integration von Flüchtlingen.

Frau Hofmann, nach Angaben des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) wird der deutsche Arbeitsmarkt erneut historische Rekorde brechen. Die Forscher gehen davon aus, dass in diesem Jahr 650.000 neue Stellen geschaffen werden und die Zahl der Beschäftigten auf fast 45 Millionen steigt. Zudem rechnet das IAB damit, dass von den 650.000 neuen Stellen etwa 100.000 durch Flüchtlinge besetzt werden. Teilen Sie diese optimistische Einschätzung?
Es wäre sehr schön, wenn sich diese Prognose bewahrheiten würde. Was wir als Branche dazu beitragen können, das tun wir. Fast jede dritte Beschäftigungsaufnahme von Personen aus den Hauptherkunftsländern der Geflüchteten erfolgt in der Zeitarbeit. Aus unserer eigenen Erfahrung muss ich aber darauf hinweisen, dass die Beschäftigungsdauer im Durchschnitt kürzer ist als bei unseren anderen Beschäftigten. Oftmals sind es die Kunden, die die Flüchtlinge abmelden, weil sie die Erwartungen an die Arbeitsqualität noch nicht erfüllen. Man sollte dies aber nicht allzu negativ bewerten. Viele Flüchtlinge müssen zunächst unsere Arbeitskultur erlernen. Wir müssen Geduld haben.

Können die geflohenen Menschen ein Teil der Lösung unserer Rekrutierungsprobleme sein?
Auf längere Sicht bei niedrig qualifizierten Jobs vielleicht. Aber den Fachkräftemangel werden wir nicht auf diese Weise beseitigen. Dafür fehlen zu vielen Geflüchteten Schulabschlüsse und andere Qualifikationen. In Deutschland wird sehr hochwertig ausgebildet. Es fehlen den Flüchtlingen nicht nur Deutsch-, sondern auch Mathematikkenntnisse. Außerdem wollen viele Flüchtlinge Geld verdienen und nicht unbedingt eine Ausbildung machen. Trotzdem weisen wir immer wieder auf diese Möglichkeiten hin. Der eine oder andere konnte auch schon zu Kunden in eine Lehrstelle wechseln.

Seit drei Jahren legen wir das Unternehmensziel fest, mindestens 500 Geflüchtete jedes Jahr einzustellen.

– Ingrid Hofmanns Versprechen

Wie können wir das ‚Problem‘ der fehlenden Qualifikationen am effektivsten lösen?
Aus unserer Sicht gibt es momentan nur die Lösung, so viele Menschen wie möglich zumindest schon einmal in Arbeit zu bringen. Dort ist der Austausch mit Kollegen, man kann Erfahrungen in der Arbeitswelt sammeln und letztendlich ist es learning by doing. Meiner Meinung nach ist die schlechteste Alternative zuhause oder in Unterkünften zu sitzen, wenig Kontakt zur deutschen Bevölkerung zu haben und ohne Aufgabe zu sein.

Sie engagieren sich mit Ihrem Unternehmen bereits seit längerer Zeit für die Integration von Flüchtlingen. Wo sehen Sie bei dieser Arbeit die größten Herausforderungen?
Ja, seit drei Jahren legen wir das Unternehmensziel fest, mindestens 500 Geflüchtete jedes Jahr einzustellen. Es ist ein klares Signal an alle Hofmann-Mitarbeiter, dass ich hinter diesem Engagement stehe, auch wenn es Mehraufwand bedeutet. Das größte Problem bleibt die Sprache, der hohe Betreuungsaufwand und das Zusammenführen der unterschiedlichen Erwartungen.

Ingrid Hofmann

Können Sie uns das eine oder andere konkrete Beispiel Ihrer Erfahrungen – positiv wie negativ – nennen?
Zwei positive Beispiele fallen mir ganz spontan ein. In Gera wechseln jetzt sechs syrische Mitarbeiter zu einem Kunden.  Einer hat zum ersten September seine Lehre zum Maschinen- und Anlagenführer begonnen. Ein anderer wollte die Lehre nicht annehmen, sondern lieber arbeiten. In Mannheim haben wir ebenfalls einen jungen Syrer, der über uns in der Altenpflege zwei Monate tätig war und jetzt bereits seine Ausbildung begonnen hat. Er ist ein sehr zielstrebiger junger Mann, der seine Zukunft in Deutschland sieht und von sich aus sehr aktiv ist.

Bedauerlicherweise haben wir auch negative Beispiele. Mitarbeiter, die sich nicht an die Gepflogenheiten im Unternehmen anpassen wollen, Probleme haben, eine Frau als Vorgesetzte zu akzeptieren, keine Disziplin haben und so weiter. Von diesen müssen wir uns dann trennen, wenn Gespräche nicht erfolgreich sind.

Oft steht die Bürokratie den engagierten Bemühungen im Wege. Wenn Sie eine Wunschliste an die Politik erstellen müssten, welche Punkte stünden da ganz oben?
Regierungsentscheidungen, aber auch unsere derzeitige Gesetzeslage haben die Behörden in eine schwierige Situation gebracht. Verbesserungen sind selbstverständlich notwendig, etwa eine Vereinheitlichung der Antragsformulare oder die Bereitschaft, vor Ort pragmatische Lösungen zu finden. Es ist auch nicht hilfreich, wenn ein Mitarbeiter seine Arbeitsstelle aufgeben muss, nur um einen weiteren Deutschkurs zu absolvieren. Eine bessere Absprache ist oftmals wünschenswert.

Wie sehen Sie die Zeitarbeit in diesem Kontext. Kann die Branche als wegweisender Integrator vorangehen?
Auf jeden Fall. Wir tun es bereits und es wäre schön, wenn Politikvertreter und Gewerkschaften dies auch anerkennen würden. Darum hoffe ich sehr, dass es seitens der Gesetzgeber zukünftig keine weiteren Einschränkungen mehr für die Branche geben wird. Im Gegenteil: Nach wie vor sehe ich die Befristung auf 18 Monate als nachteilig für unsere Mitarbeiter und setze mich dafür ein, dass man diese zeitlich stark erweitert oder sogar abschafft. Sie steht auch jeglichen Weiterbildungsprojekten im Weg. Auch die Equal Pay-Regelung hat bei den Kunden zu großer Verunsicherung geführt, weil es an klaren Definitionen fehlt. Mancher hat unsere Mitarbeiter abgemeldet, weil er nicht das Risiko eingehen will, etwas falsch zu machen. Er benötigt aber Personal, das wir dann ebenfalls stellen. Für die abgemeldeten Mitarbeiter ist das ausgesprochen unbefriedigend, weil sie gezwungenermaßen einen von ihnen geschätzten Arbeitsplatz verlassen müssen.

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