28.02.2023
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Keine Beschränkungen für Zeitarbeit in Medizin und Pflege!

  • Das Positionspapier der Deutschen Krankenhausgesellschaft, in dem die starke Beschränkung der Zeitarbeit in der Pflege gefordert wird, erhitzt derzeit die Gemüter.
  • Welche Konsequenzen hätte eine Regulierung der Zeitarbeit? Würde sie tatsächlich zu einer Entlastung der Stammbeschäftigten führen?
  • Ganz im Gegenteil, davon sind Branchenkenner, aber auch Pflegefachkräfte wie Ricardo Lange überzeugt. Edgar Schröder findet ebenfalls klare Worte. Wie der Experte die DKG-Forderung einordnet, erfahren Sie im heutigen Blogbeitrag.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) fordert in ihrem aktuell veröffentlichten Positionspapier (17.02.2023) eine umfassende Beschränkung der Zeitarbeit in der Pflege. Auszugsweise Wiedergabe: „[…] Sofern ein generelles Verbot kurzfristig nicht umsetzbar ist, muss alternativ die Leiharbeit in Krankenhäusern spürbar beschränkt werden […] Die DKG schlägt daher vor, die möglichen Stundenverrechnungssätze auf das 1,5-fache des durchschnittlichen einschlägigen Bruttolohns inklusive Arbeitgebernebenkosten zu begrenzen […]“

Auf das *toxische* Positionspapier hat der Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister e. V. (BAP) umgehend reagiert: „Eine drastische Beschränkung der Zeitarbeit in der Pflege verschärft den bundesweiten Pflegenotstand.“ (Florian Swyter, Hauptgeschäftsführer BAP – hier geht es zum kompletten Statement)

Einschränkungen würden den Fachkräftemangel zusätzlich verschärfen

Die DKG verkennt die Marktgegebenheiten. Die geforderten Regulierungsmaßnahmen werden keinesfalls zu einer Verbesserung des Angebots verfügbarer Berufsgruppen in den Krankenhäusern führen. Das Gegenteil wird der Fall sein! Keine einzige Fachkraft will an Arbeitsplätze in Kliniken oder Pflegeeinrichtungen zurückkehren, die sie an die physische und psychische Belastungsgrenze bringen.

1,7 Millionen Pflegekräfte arbeiten in Deutschland, 460.000 in Krankenhäusern und 1,2 Millionen in Pflegeeinrichtungen. Laut Bundesagentur für Arbeit dauert die Besetzung der Stelle eines examinierten Altenpflegers durchschnittlich 262 Tage.

In einer immer älteren Gesellschaft werden im Jahr 2030 schätzungsweise eine halbe Million Pflegekräfte fehlen!

Keine einzige Fachkraft will an Arbeitsplätze in Kliniken oder Pflegeeinrichtungen zurückkehren, die sie an die physische und psychische Belastungsgrenze bringen.

– Edgar Schröder

Edgar Schröder

Fachkräfte (re-)aktivieren – wie kann das gelingen?

Die Hans Böckler Stiftung veröffentlicht dieses Statement: „300.000 Vollzeitkräfte ließen sich aktivieren.“ Diese These basiert auf einer bundesweit durchgeführten Studie.

Die Voraussetzungen für die Rückkehr in den Beruf bzw. die Aufstockung von Arbeitszeit auf Seiten der Pflegekräfte lassen sich denkbar einfach wie folgt zusammenfassen: „Die Arbeitsbedingungen in der Pflege müssen sich verbessern. Dazu gehören vor allem verbindliche Personalschlüssel und eine angemessene Bezahlung nach Tarif, aber auch direkt vor Ort umsetzbare Maßnahmen wie eine selbstorganisierte Dienstplangestaltung oder Gelegenheit zum kollegialen Austausch.“

Die in der Pflege beschäftigten Zeitarbeitnehmer haben derzeit bessere Einflussmöglichkeiten auf ihre Arbeitsbedingungen als die stammbeschäftigten Kollegen in einer Klinik oder Pflegeeinrichtung. Insofern bieten die Personaldienstleister oftmals das *wertigere Gesamtpaket* für eine attraktive Work-Life-Balance, die für die Motivation und Freude am Beruf unerlässlich ist.

Auf der Website „DocCheck“ findet sich diese Schlagzeile: „Krankenhäuser ernten Shitstorm“.

Deutschlands vermutlich bekannteste Pflegekraft Ricardo Lange, der mit seinem Buch „Intensiv: Wenn der Ausnahmezustand Alltag ist“ Anfang 2022 einen Spiegel-Bestseller landete, wird mit seinem Tweet zu den DKG-Forderungen in den Fokus gerückt:

Die Forderung muss lauten: Angemessene Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen für alle Pflegekräfte – egal wo sie angestellt sind. Verboten werden sollte, dass Kliniken mit unseren Beiträgen ihre Aktionäre bedienen. Bashing der Leiharbeit ist weder angebracht noch zielführend.

– Ricardo Lange

Unrühmlicher Höhepunkt ist das Statement von Heike Baehrens, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD im Bundestag: „Wir merken, dass Leiharbeit eine sehr problematische Auswirkung hat, vor allem auch auf die Stammbelegschaften, weil sie den Eindruck gewinnen, dass die Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeiter sich die Arbeitszeiten heraussuchen können, während die Stammbelegschaft die Rund-um-die-Uhr-Versorgung abdecken muss.“ Das Statement wurde in diesem MDR-Beitrag aufgegriffen.

Im Bundesrat *schlummert* immer noch der Antrag des Berliner Senats aus Februar 2020. Seinerzeit wurde ein generelles Verbot von Zeitarbeit in der Pflege gefordert.

Einen umfassenden Überblick zum Dauerbrenner „Leiharbeit in der Pflege“ verschafft die Fachzeitschrift „DIE SCHWESTER DER PFLEGER“, offizielles Organ des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe in der Ausgabe 2/2023.

Darin findet sich unter anderem das Interview mit Cai-Nicolas Ziegler, Vorstandsvorsitzender der Doctari-Group, mit seinem Credo für mehr Regeln und Transparenz, Zitat: „Es kann nicht sein, dass eine Person eine Klinik verlässt und am nächsten Tag als Leiharbeiterin den gleichen Job weitermacht.“

Fazit

Ich kann keine Notwenigkeit für zusätzliche Regulierungen per Gesetz oder Rechtsverordnung erkennen. Ganz im Gegenteil, sie wären kontraproduktiv. Statt Symptome zu bekämpfen, müsste man sich vielmehr den Ursachen widmen und alles „bei der Wurzel anpacken“. Das heißt, die Missstände im Gesundheitswesen beheben und die Arbeitsbedingungen für alle dort beschäftigten Fachkräfte verbessern. Und was die Regulierung der Zeitarbeit per Gesetz angeht, möchte ich mit einem Zitat des französischen Schriftstellers, Philosophen und Staatstheoretikers Charles Baron de Montesquieu (1689 – 1755) abschließen: „Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen.“

 

 

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