29.03.2022 Axel Walz

Mindestlohn 12 Euro – eine Chance, die (wieder) nicht genutzt werden wird

  • Die Erhöhung des Mindestlohns bietet für die Zeitarbeitsbranche die Chance, ihren Ruf zu verbessern.
  • Axel Walz, Vertriebsexperte und Gründer der Profitask GmbH, befürchtet, dass viele Unternehmen aus Kostendruck nicht aus alten Fehlern lernen.
  • Hauptverantwortlich für den Teufelskreis sieht er Dumpingpreise, die durch Abhängigkeiten zu Unternehmen entstehen.
  • Personaldienstleister sollten sich stattdessen eine Strategie überlegen, wie man Preise erhöhen oder neue Märkte erschließen kann.

Unabhängig davon, ob ich es gut finde, dass die Politik massiv in die Tarifautonomie eingreift und das im Besonderen in der Zeitarbeit, ergeben sich bei jedem Eingriff auch Chancen, die genutzt werden können. Bestimmte Bereiche der Zeitarbeit wie die Pflege zeigen, wie es gehen kann.

Jede Veränderung von geschäftlichen Rahmenbedingungen betrifft immer nur Teile des Ganzen und verändert den Markt nicht komplett! Beim Mindestlohn beispielsweise sind nur Unternehmen betroffen, die in der EG 1 und EG 2 tätig sind – und das auch nur im Norden und Osten, weil dort das Lohnniveau niedriger ist.

Blickt man in den Süden und Westen der Republik, lässt sich konstatieren: Wenn man Fahrtkostenzuschüsse, übertarifliche Zuschüsse, Leistungszulagen und Co. einrechnet, ist man da schon lange über dem künftigen Mindestlohn. Den Mitarbeitenden unter 12 Euro findet man dort also nicht mehr.

Den Mitarbeitenden unter 12 Euro findet man in Süden und Westen der Republik nicht mehr.

– Axel Walz

Wo aber liegt nun die Chance? Um sie zu erkennen, muss man eines beachten: Eingriffe wie die jetzigen lassen sich gut nutzen, um seinen Markt umzugestalten. Für uns gibt das konkret die Möglichkeit, den Ruf der Zeitarbeit zu verbessern.

Ein Problem entsteht, wenn Abhängigkeiten bestehen

Allerdings gilt auch: Ähnliche Chancen boten auch schon die Einführung der Branchenzuschläge sowie Equal Pay. Wieso wurden sie nicht genutzt? Das Problem aus meiner Sicht ist, dass es immer schon Kundenunternehmen in der Zeitarbeit gab – und nach wie vor gibt –, die Dumpingpreise aufrufen oder Ihre Dienstleister erpressen, da Abhängigkeiten bestehen. Wenn jetzt der Mindestlohn auf 12 Euro steigt, wird es wieder Unternehmen geben, die die Kostensteigerung nicht akzeptieren. Die Dienstleister wiederum werden weiter Margen einbüßen, weil sie nicht NEIN sagen können – ihnen fehlen schließlich die Alternativen. Man geht den Weg des geringsten Wiederstandes und somit direkt ins Elend.

Das führt letztendlich dazu, dass Zeitarbeitsunternehmen extrem viele Kapazitäten, Know-how und Zeit nutzen, um sich „Einsparpotenziale“ zu überlegen. Und schon kommen Fragen auf wie:

  • Wo können Kosten intern und extern eingespart werden?
  • Wo sind Lücken im Tarifvertrag?
  • Welcher Zuschlag lässt sich wie verrechnen?

Stattdessen sollten die Personaldienstleister die Zeit dafür nutzen, um folgende Fragen zu stellen:

  • Wie kann ich die Preise erhöhen?
  • Was kann ich mit meinen Kunden verhandeln?
  • Wo gibt es neue Märkte für meine Dienstleistung?
  • Wer und wie spricht diese neuen Märkte an?

Wer Antworten auf diese Fragen findet, löst 80 Prozent des Problems. Das sorgt dafür, dass Kunden und Unternehmen, die nicht vernünftig bezahlen wollen, sich neue Alternativen suchen müssen. Noch hat man Zeit, sich darauf vorzubereiten – dass der Mindestlohn auf 12 Euro steigt, weiß man seit September 2021, greifen wird es ab Oktober 2022!

Die Marge nicht mehr über die eigenen Mitarbeitenden verbessern

Die Chance liegt also darin, die Unternehmen auszusortieren, die Dumpingpreise verlangen! Ist dieses Problem gelöst, würden automatisch auch die Dienstleister wegfallen, die es mit sich machen lassen und die Preisspirale nach unten treiben. Dadurch würde auch der Mengenverlust gestoppt. Keine Zeitarbeit wäre mehr gezwungen, ihre Marge über den eigenen Mitarbeitenden zu verbessern. Somit würde ein Effekt eintreten wie in vielen anderen Ländern: Zeitarbeit wäre eine akzeptierte Form der Beschäftigung.

Die Chance liegt darin, die Unternehmen auszusortieren, die Dumpingpreise verlangen!

– Axel Walz

Doch gegen diese Umsetzung sprechen zwei Punkte:

  1. Für eine Veränderung müssten sich die Verbände positionieren. Die aber scheuen Themen wie Preis- bzw. Margenempfehlung und Preisspannen wie der Teufel das Weihwasser. Aus meiner Sicht geht es hier aber nicht um illegale Preisabsprachen, sondern – wie es in vielen Branchen der Fall ist – um „unverbindliche Preis- bzw. Preisspannenempfehlungen“. Unverbindliche Preisempfehlungen sind gang und gäbe und werden oft von Verbänden vorgegeben. Das wäre schon mal ein erstes Zeichen an gewisse Dienstleister, wo der Spaß aufhört.
  2. Wenn man schaut, welche Kundenunternehmen die schlechten Margen erzwingen und wer diese Unternehmen beliefert, sieht man: Es sind nicht die kleinen Unternehmen der Branche, sondern oftmals die Großen (sowohl bei den Kunden als auch auf Seite der Zeitarbeit), denen es um Marktanteile geht. Diese haben aber auch wieder viel in den Verbänden zu sagen.

Hier wäre es wünschenswert anzusetzen, damit es nicht läuft wie sonst: Einige werden die Preise anpassen und weiter Geld verdienen, andere weiter auf die Marktanteile schauen, Geld verbrennen und gleichzeitig Marktmacht gewinnen, ein paar gehen pleite und der Ruf der Branche bleibt schlecht.


Axel Walz

Axel Walz war 20 Jahre in der Zeitarbeit tätig, davon mehr als acht Jahre als Geschäftsführer eines Top-20-Unternehmens. 2016 gründete er mit Claudio Gomes die Profitask GmbH, die sowohl die Abrechnung interner und externer Mitarbeitender als auch Aufgaben wie die Neukundengewinnung und Kundenpflege übernimmt. Mit Axel Walz – Vertrieb richtig gemacht unterstützt er die Branche zudem in Form von Schulungen und Trainings zu den Themen (Profil-)Vertrieb und Verhandlungstechniken.

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