Neue Gebührenordnung: Was bedeutet sie für die Branche?
- Durch die neue Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, die vor Kurzem von der Bundesagentur für Arbeit (BA) bekanntgegeben wurde, verringern sich die Gebühren für Erst- und Verlängerungsanträge auf AÜ-Erlaubnis – so weit, so gut.
- In der Verordnung ist allerdings darüber hinaus festgehalten, dass für behördliche Prüfungen künftig eine Gebühr entrichtet werden muss.
- Kommt es in Zukunft häufiger zu Prüfungen seitens der BA? Und bedeutet das insgesamt eine Erhöhung der Kosten für Personaldienstleister? Edgar Schröder nimmt die neue Verordnung genauer unter die Lupe.
Im Oktober 2021 sind die Personaldienstleister von der amtlichen Bekanntgabe seitens der Bundesagentur für Arbeit über das Inkrafttreten der „Besonderen Gebührenverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales für individuell zurechenbare öffentliche Leistungen in dessen Zuständigkeitsbereich (BMASBGebV)“ überrascht worden.
Damit die Zielgruppe der „Verleiher“ einen strukturierten Überblick bekommt, stellt die BA hierzu ein Merkblatt mit tabellarischer Auflistung der *vielschichtigen* Gebührenordnung zur Verfügung.
Dass die Bearbeitungsgebühren für Erst- und Verlängerungsanträge bzgl. der AÜG-Erlaubnisurkunden günstiger werden, ist der vordergründige, wirtschaftlich positive Aspekt.
In meinem Fokus steht die Neu-Implementierung der Gebührenpflicht für die behördlichen Prüfungen. Für die Standard-Prüfung ohne Verlängerungsantrag, bspw. bei routinemäßiger Prüfung eines Personaldienstleisters mit unbefristeter AÜG-Erlaubnis, beträgt die Festgebühr 1.665 Euro, siehe Nr. 6.1 des behördlichen Merkblattes.
Wie kommt die Erlaubnisbehörde auf diesen Betrag?
Die Argumente und Fakten dazu wurden im Referenten-Entwurf dieser Rechtsverordnung umfassend dokumentiert, auszugsweise Wiedergabe:
Die Kontrolle der Zuverlässigkeit der Inhaber einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 AÜG ist dem Pflichtenkreis der Erlaubnisinhaber zuzurechnen. Verleiher sind nach § 7 Absatz 2 AÜG verpflichtet, der BA alle Auskünfte zu erteilen und erforderlichenfalls Unterlagen vorzulegen, um die Durchführung des AÜG zu ermöglichen. Diese Regelung dient neben dem Schutz der Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer und der Entleiher auch dem Schutz der ordnungsgemäß arbeitenden Verleiher und liegt damit in deren Interesse. Die Prüfungen der Verleiher durch die BA sind keine Stichprobenkontrollen im Sinne des § 3 Absatz 2 Nummer 4 Halbsatz 2 BGebG, weil es sich bei diesen Prüfungen entweder um planmäßige Routinekontrollen handelt, die jedes Unternehmen erfassen, das Arbeitnehmerüberlassung betreibt oder um Prüfungen aufgrund eines bestimmten Anlasses, der anhand von Tatsachen einen konkreten Rechtsverstoß wahrscheinlich erscheinen lässt. Eine Durchsuchung findet nur auf richterliche Anordnung oder bei Gefahr in Verzug statt (vgl. § 7 Absatz 4 AÜG). Eine Durchsuchung findet nur im Ausnahmefall statt, wenn die Maßnahmen nach § 7 Absatz 2 und Absatz 3 AÜG nicht ausreichen oder eine besondere Gefährdungslage eine sofortige Durchsuchung verlangt.
Der von mir unterstrichene Teilsatz (siehe oben) verdient deswegen besondere Aufmerksamkeit, weil in der dort hinterlegten Gesetzesvorschrift für das neue deutsche Gebührenrecht bzgl. Stichprobenprüfungen von dem Gegenstand der Kontrolle eine *erhebliche Gefahr* ausgehen müsste.
Das ist ja unglaublich beruhigend, an verborgener Stelle eines Referentenentwurfs positiv attestiert zu bekommen, dass von der Arbeitnehmerüberlassung nicht per se eine *erhebliche Gefahr* ausgeht. Diese latente Gefahrenlage stünde ja auch diametral im Widerspruch zu den erteilten Erlaubnisurkunden, die ja die gewerberechtliche Zuverlässigkeit der Personaldienstleister attestieren.
Das BMAS hat ermittelt, dass in durchschnittlich 1.533 Fällen pro Jahr eine Prüfung ohne Verbindung zu einem Verlängerungsantrag seitens der Erlaubnisbehörde erfolgt.
Hier die rechnerischen Größen aus der Arbeitswelt der BA:
Bezeichnung der Prozessbausteine | Durchschnittlicher Zeitaufwand nach Laufbahngruppe in Minuten | |||
Mittlerer Dienst | Gehobener Dienst | Höherer Dienst | ||
Prozessbaustein I | Prüfung vorbereiten | 10 | 392 | 0 |
Prozessbaustein II | Prüfung durchführen | 0 | 560 | 0 |
Prozessbaustein III | Prüfung auswerten (insb. Prüfbericht schreiben, Stellungnahme zu Ordnungswidrigkeiten, Beanstandungen formulieren, Entscheidungsvorschlag) | 0 | 326 | 0 |
Prozessbaustein IV | Prüfergebnis umsetzen (z.B. Prüfbericht lesen und auswerten, Ermessen ausüben, Entscheidung dokumentieren) | 0 | 37 | 0 |
Prozessbaustein V | Gebührenfestsetzung | 25 | 0 | 0 |
Bei Anwendung des pauschalen Stundensatzes von 34,50 € für Verwaltungsbeschäftigte in der Bundesverwaltung ergibt sich nachfolgende Kostenstruktur:
Bezeichnung der Prozessbausteine | Durchschnittliche Kosten je Prozessbaustein in Euro | |
Prozessbaustein I | Prüfung vorbereiten | 496,05 |
Prozessbaustein II | Prüfung durchführen | 694,49 |
Prozessbaustein III | Prüfung auswerten | 404,29 |
Prozessbaustein IV | Prüfergebnis umsetzen | 45,89 |
Prozessbaustein V | Gebührenfestsetzung | 24,76 |
Die Stellungnahme der BA vom 4. Juni 2021 gegenüber dem Bundesarbeitsministerium für Arbeit und Soziales finde ich genauso bemerkenswert, auszugsweise Wiedergabe:
Verleiher müssen künftig nicht nur für die Bearbeitung von Anträgen, sondern unter anderem auch für Betriebsprüfungen und weitere öffentliche Leistungen Gebühren entrichten. Den Erfahrungen aus der Praxis nach, sehen Verleiher die Überwachung durch die BA grundsätzlich positiv. Die Überwachungspflicht der BA dient nicht nur dem Schutz der Leiharbeitnehmer*innen. Durch die Kontrollen der BA werden auch zuverlässig arbeitende Verleiher vor unzuverlässiger Konkurrenz geschützt und unzuverlässige Verleiher von der Arbeitnehmerüberlassung ferngehalten. Alle öffentlichen Leistungen der BA, für die Verleiher künftig eine Gebühr entrichten müssen, haben einen konkreten Bezug zum Pflichtenkreis der Verleiher. Die Höhe der künftig anfallenden Gebühren richten sich nach dem entstandenen Aufwand. Insofern müssten die Regelungen insgesamt auch für die Verleiher nachvollziehbar sein.
Interessant ist dieses Statement der BA:
Es ist nicht auszuschließen, dass es künftig häufiger zur Einlegung von Rechtsmitteln gegen die Gebührenfestsetzung kommt.
Ich persönlich rechne damit, dass die Anzahl der Prüfungen (sowohl direkt vor Ort in der Verwaltung des Personaldienstleisters als auch *Inhouse* per Übersendung der geschäftlichen Unterlagen an das zuständige Prüfteam) in den kommenden Jahren zunehmen wird.
Ketzerisch kann konstatiert werden: Die Zeitarbeitsbranche mutiert zu einer „Gelddruck-Maschine“ für die BA!