26.04.2023
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Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeit: Der Referentenentwurf liegt endlich vor!

  • Seit dem viel diskutierten Beschluss des BAG vom 13.09.2022, der inzwischen auch im Volltext vorliegt, steht fest: Arbeitgeber sind verpflichtet, die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter zu erfassen.
  • Auch wenn das BAG sich in dem Beschluss zu einzelnen Fragen, wie beispielsweise dem "Ob" der Arbeitszeiterfassung, klar positionierte, blieben verschiedene Detailfragen ungeklärt.
  • Mit Spannung wurde daher der für das erste Quartal 2023 angekündigte Referentenentwurf des BMAS zur Arbeitszeiterfassung erwartet. Dieser liegt nun vor.
  • Der große Wurf oder ein Würfchen? CMS Deutschland hat die wichtigsten Eckdaten zusammengefasst und eingeordnet. Ein Beitrag von Prof. Dr. Marion Bernhardt, Dr. Alexander Bissels, Dela Herr, Sebastian Schneider und Neil Yeats.

Der Referentenentwurf zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) sieht Regelungen im Hinblick auf die Erfassung von Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit vor. Er regelt die Form der Zeiterfassung (elektronisch), die Möglichkeit der Delegation der Aufzeichnung an Arbeitnehmer oder Dritte, z.B. Vorgesetzte, und stellt klar, dass Vertrauensarbeitszeit weiterhin möglich ist. Die Pflicht zur elektronischen Erfassung von Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit ist bußgeldbewehrt. Eine nach Unternehmensgröße gestaffelte Übergangsregelung und eine Sonderregelung für Unternehmen mit bis zu 10 Arbeitnehmern sollen den Arbeitgebern die Umsetzung der neuen Vorgaben erleichtern.

Pflicht zur Arbeitszeiterfassung am Tag der Arbeitsleistung in elektronischer Form

Bislang ist eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung nur für bestimmte Sachverhalte in verschiedenen spezialgesetzlichen Regelungen geregelt. Eine allgemeine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung für alle Arbeitgeber ist gesetzlich bislang nicht normiert.

Das BAG hatte allerdings – etwas überraschend – mit seinem Beschluss vom 13.09.2022 entschieden, dass Arbeitgeber bereits jetzt eine allgemeine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung treffe und diese aus der arbeitsschutzrechtlichen Generalklausel des § 3 ArbSchG abgeleitet.

§ 16 Abs. 2 RefE-ArbZG bestimmt ausdrücklich die allgemeine Pflicht von Arbeitgebern, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit zu dokumentieren. Die Erfassung muss außerdem grundsätzlich am Tag der Arbeitsleistung erfolgen – und zwar elektronisch. Aufzeichnungen in anderer Form, etwa in Form von Stundenzetteln, sind nur noch ausnahmsweise zulässig:

  • in der Übergangszeit,
  • wenn ein Tarifvertrag oder eine Betriebs- oder Dienstvereinbarung aufgrund eines Tarifvertrages dies zulässt oder
  • wenn der Arbeitgeber nicht mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt.

Die Aufbewahrungspflicht für die Aufzeichnungen beträgt im Grundsatz zwei Jahre.

Arbeitgeber verantwortet die Erfassung der Arbeitszeit

Die Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeit trifft den Arbeitgeber. Er kann die Aufzeichnung an die Arbeitnehmer oder an Dritte (z.B. Vorgesetzte) delegieren. Allerdings bleibt der Arbeitgeber auch in diesem Fall der Delegation für die Aufzeichnung verantwortlich und muss die Arbeitnehmer ggf. zur ordnungsgemäßen Führung der Aufzeichnungen schulen und anleiten.

Referentenentwurf ohne klare Regelungen zu Ruhe- und Pausenzeiten

Bekanntlich schreibt das ArbZG in Übereinstimmung mit der Arbeitszeitrichtlinie bestimmte Pausen- und Ruhezeiten für die vom Anwendungsbereich der Vorschrift erfassten Arbeitnehmer vor. Dementsprechend wurde vielfach angenommen, dass auch die Aufzeichnungen der Arbeitszeit Rückschlüsse darauf zulassen müssen, ob die geltenden Pausen- und Ruhezeiten eingehalten wurden.

Auch hier hat der Referentenentwurf keine Klarheit geschaffen. Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung wird nur auf Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit bezogen. Die Einhaltung der Ruhezeit ist daraus ableitbar. Die Aufzeichnung von Pausen nach § 4 ArbZG ist aber nicht vorgeschrieben. Diese können deshalb anhand der Aufzeichnungen nicht überprüft werden.

Bietet der Entwurf Lösungen für zeitunkritische Tätigkeiten nach Feierabend?

Nicht geregelt und vom BAG nicht entschieden war bislang die Frage, ob eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung auch bei kurzzeitigen Tätigkeiten besteht, z.B. dem Verfassen einer kurzen Dienstmail am Abend, und – was noch relevanter ist – ob diese die Ruhezeit unterbricht. Hierzu bietet der Referentenentwurf leider ebenfalls keine Lösung an.

Was gilt bei Vertrauensarbeitszeit? Ist diese noch zulässig?

Der Referentenentwurf stellt klar, dass auch Vertrauensarbeitszeit weiterhin möglich ist. Darunter wird im Allgemeinen ein flexibles Arbeitszeitmodell bezeichnet, bei dem der Arbeitgeber auf die Festlegung der Lage (also Beginn und Ende) der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit verzichtet. Der Arbeitgeber „vertraut“ dabei darauf, dass der Arbeitnehmer seiner vertraglichen Arbeitsverpflichtung nachkommt.

Zur Umsetzung von Vertrauensarbeitszeit muss der Arbeitgeber die Aufzeichnung der Arbeitszeit an den Arbeitnehmer delegieren und auf die Kontrolle der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit verzichten. Beides sollte zur Dokumentation im Arbeitsvertrag oder einem Nachtrag hierzu schriftlich vereinbart werden; insofern dürfte es sich nämlich um eine wesentliche Vertragsbedingung nach § 2 Abs. 1 S. 1 NachwG handeln.

Auch bei der Vertrauensarbeitszeit bleibt der Arbeitgeber aber in der Verantwortung: er hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass ihm Verstöße gegen die gesetzlichen Bestimmungen zu Dauer und Lage der Arbeits- und Ruhezeiten bekannt werden. Das kann z.B. durch entsprechende automatische Warnmitteilungen des elektronischen Zeiterfassungssystems geschehen.

Was gilt mit Blick auf die Vergütung von Arbeitszeit?

Das ArbZG regelt nicht die Vergütung von Arbeitszeit und trifft daher auch keine Aussage, ob eine Zeitspanne, die der Arbeitnehmer für den Arbeitgeber tätig ist, als entgeltpflichtige Arbeitszeit zu qualifizieren ist.

Es handelt sich bei privatrechtlicher Vergütung und öffentlich-rechtlichem Arbeitsschutz um vollkommen getrennte Tatbestände, die aufgrund ihrer verschiedenen Schutzrichtungen nicht einheitlich zu betrachten sind. Das bedeutet, dass die Qualifikation einer bestimmten Zeitspanne als Arbeitszeit nicht zwingend zu einer Vergütungspflicht führt, während umgekehrt die Herausnahme bestimmter Zeiten aus der Arbeitszeit nicht die Vergütungspflicht ausschließen muss.

Dabei bleibt es: der Referentenentwurf enthält hierzu – man kann sagen: erwartungsgemäß – keine Regelung. Freilich dürfte es Arbeitnehmern aber infolge der gesetzlichen Aufzeichnungspflichten sowie des Anspruchs auf Herausgabe einer Kopie dieser Dokumentation (§ 16 Abs. 5 RefE-ArbZG) künftig leichter fallen, die Hürden der Darlegungs- und Beweislast im Fall eines Prozesses um die Vergütung angeblicher Arbeitszeit zu nehmen.

Stärkung des Einflusses der Tarifparteien

Tarifparteien können

  • anstelle der elektronischen eine andere Form der Aufzeichnung zulassen,
  • eine längere Frist für die Aufzeichnung von bis zu sieben Kalendertagen vorsehen oder
  • die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung gänzlich ausschließen für Arbeitnehmer, bei denen die gesamte Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen oder nicht im Voraus festgelegt wird oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann.

Die völlige Herausnahme von Arbeitnehmern aus der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung geht auf Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG zurück und soll nach der Vorstellung des Referentenentwurfs insbesondere bei Führungskräften, herausgehobenen Experten oder Wissenschaftlern einschlägig sein.

Der Gesetzgeber hat es sich mit der Übernahme dieser Formulierungen leicht gemacht. Auslegungsschwierigkeiten im Zusammenhang mit diesen Begriffen sind vorprogrammiert. Insbesondere stellt sich die Frage, ob etwaige Konkretisierungen durch die Tarifvertragsparteien von dieser Öffnungsklausel noch gedeckt sind.

Keine Änderungen bei Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst

Bereitschaftszeiten – also Zeiten, in denen der Arbeitnehmer sich für Zwecke des Betriebs an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle innerhalb oder außerhalb des Betriebs aufzuhalten hat, damit er erforderlichenfalls seine volle Arbeitstätigkeit aufnehmen kann – gelten grundsätzlich in vollem Umfang als Arbeitszeit, so dass für diese Zeiten auch eine Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung bestand.

Rufbereitschaft (ohne Heranziehung zur Arbeit) gilt demgegenüber grundsätzlich nicht als Arbeitszeit und muss dementsprechend nicht erfasst werden. Etwas gilt nach der neueren Rechtsprechung des EuGH allerdings, wenn bei objektiver Betrachtung dem Arbeitnehmer erhebliche Einschränkungen auferlegt werden, die eine freie Einteilung seiner Freizeit nicht mehr erlauben (z.B. in weniger als eine Stunde am Einsatzort sein muss).

Der Gesetzgeber hätte in diesem Bereich praktische Anwendungs- und Abgrenzungsschwierigkeiten lösen können. Diese Chance wurde verpasst: Der Referentenentwurf verhält sich zu diesen beiden Sonderformen der Arbeit nicht.

Betriebliche Mitbestimmung

Im Hinblick auf die Frage des „Ob“ der Zeiterfassung hat der Betriebsrat weder ein Initiativ- noch ein Mitbestimmungsrecht. Denn ob Arbeitszeiten erfasst werden, steht seit dem Beschluss des BAG – und nun mit § 16 Abs. 2 S. 1 RefE-ArbZG – fest.

Soweit dem Arbeitgeber bei der Umsetzung der gesetzlichen Verpflichtung jedoch Spielräume verbleiben oder er über die gesetzlichen Mindestregelungen hinaus Regelungen treffen will (etwa zur Erfassung auch von Ruhepausen oder zu einer längeren Aufbewahrung der Arbeitszeitnachweise), wird dem Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 bzw. Nr. 7 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht zustehen.

Bußgeld bei Nichtbeachtung der Aufzeichnungspflicht

Das BAG hatte die Aufzeichnungspflicht bekanntlich aus dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) abgeleitet. Dieses sieht eine Sanktion nur für den Fall vor, dass der Arbeitgeber konkrete Anordnungen der Arbeitsschutzbehörde missachtet. Deshalb waren bloße Verstöße gegen die allgemeine Aufzeichnungspflicht – im Gegensatz zur spezialgesetzlich geregelten Dokumentationspflicht – nicht bußgeldbewehrt.

Nach dem Referentenentwurf soll sich dies nun ändern. Künftig handelt ordnungswidrig, wer als Arbeitgeber vorsätzlich oder fahrlässig Aufzeichnungen der Arbeitszeit nach § 16 Abs. 2 RefE-ArbZG nicht oder nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig erstellt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 30.000,00 EUR geahndet werden.

Handlungsbedarf für Arbeitgeber

Wird der Referentenentwurf Gesetz, werden sich alle Arbeitgeber mit Ausnahme von Kleinunternehmen mit der Einführung oder Anpassung eines Systems zur elektronischen Zeiterfassung befassen müssen:

  • Die gesetzliche Pflicht zur Arbeitszeiterfassung wird ab Inkrafttreten des Gesetzes gelten.
  • Für die Einführung der elektronischen Zeiterfassung wird eine Übergangsfrist von einem Jahr ab Inkrafttreten des Gesetzes gewährt. Für kleine und mittlere Unternehmen wird diese Frist auf zwei (weniger als 250 Arbeitnehmer) bzw. fünf (weniger als 50 Arbeitnehmer) Jahre verlängert.
  • Die Delegation der Arbeitszeiterfassung auf die Arbeitnehmer bzw. die Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit sollte zur Dokumentation im Arbeitsvertrag oder einem Nachtrag schriftlich vereinbart werden.

Fazit

Die Übertragung der Aufzeichnung an die Arbeitnehmer und eine Vertrauensarbeitszeit bleiben möglich. Allerdings wird mit der elektronischen Form und der Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeit noch am selben Tag ein recht enger Regelungsrahmen geschaffen, von dem nur die Tarifvertragsparteien abweichen können. Die wesentlichen Eckpfeiler des ArbZG, wie die werktägliche Höchstarbeitszeit, Pausen- und Ruhezeiten, bleiben unverändert. Der große Wurf ist es also nicht geworden – eher ein Würfchen.

Zum jetzigen Zeitpunkt ist offen, ob der Referentenentwurf tatsächlich Gesetz wird. Arbeitgebern ist daher zu empfehlen, die weitere Entwicklung aufmerksam zu verfolgen.

Dr. Alexander Bissels

Ergänzender Kommentar von Dr. Alexander Bissels

Sollte der Referentenentwurf tatsächlich in der vorliegenden oder in einer ähnlichen Fassung zum Gesetz werden, was noch mit erheblichen Fragezeichen zu versehen ist (das sog. "Strucksche Gesetz"), hätte dieser ganz erhebliche Auswirkungen auf Zeitarbeitsunternehmen. Zwar dürfte die Arbeitszeiterfassung für externe Mitarbeiter schon gegenwärtig gang und gäbe sein (allein aus abrechnungstechnischen Gründen), jedoch soll diese nach den Vorstellungen des BMAS grundsätzlich zukünftig nur noch elektronisch zulässig sein. Hier kann sich Nachbesserungsbedarf für die Erfassung der Zeiten der externen Mitarbeiter ergeben. Eine Zettelwirtschaft, auf denen die geleisteten Stunden von dem zuständigen Ansprechpartner des Kunden abgezeichnet und bestätigt werden, hat auf Grundlage des Referentenentwurfs ausgedient. Vor diesem Hintergrund wird es daher nicht das (bereits in der Praxis regelmäßig) gelebte "Ob" der Durchführung einer Zeiterfassung sein, das die Unternehmen umtreiben wird, sondern das "Wie".

Hier müssen Personaldienstleister – im Zweifel in Abstimmung mit dem jeweiligen Kunden, die die Arbeitszeiten der Stammbeschäftigten im Zweifel ebenfalls elektronisch erfassen müssen – einen abweichenden Prozess etablieren. Richtet der Kunde ein elektronisches Zeiterfassungssystem ein, kann sich der Einfachheit halber darauf verständigt werden, dass die externen Mitarbeiter dieses – wie die Stammbeschäftigten – mitnutzen können. Aus die Maus! Ein Diskussionspunkt könnte dabei werden, ob sich der Personaldienstleister an den Kosten für die Errichtung und Nutzung des elektronischen Zeiterfassungssystem beteiligen muss, u.a. für an die Zeitarbeitnehmer auszugebenden Karten etc. Dies ist aber im Zweifel Verhandlungssache.

Etwas problematischer wäre es allerdings, wenn der Kunde (noch) nicht zur elektronischen Erfassung der Arbeitszeit verpflichtet wäre (bei bis zu 10 Arbeitnehmern oder bei ggf. abweichend laufenden Übergangsfristen. In diesem Fall müsste sich der Personaldienstleister um eine eigene "elektronische" Lösung kümmern, es sei denn, dieser kann sich ebenfalls auf die Ausnahmetatbestände nach 16 Abs. 8 RefE-ArbZG berufen oder das maßgebliche Tarifwerk der Zeitarbeit sähe auf Grundlage der im Referentenentwurf vorgesehenen Öffnungsklausel eine "analoge" Erfassung der Arbeitszeit vor.

Weitaus eingriffsintensiver stellen sich die im Referentenentwurf vorgesehenen Änderungen für die internen Mitarbeiter von Personaldienstleistern dar. Die konkrete Erfassung der Arbeitszeit dürfte (zumindest bislang) nicht die Regel gewesen sein; vielmehr dürfte oftmals ein System der Vertrauensarbeitszeit gelebt worden sein. Zwar wird dieses Modell von dem Referentenentwurf nicht "beerdigt" oder gar als unzulässig ausgeschlossen.

In der Begründung zum Referentenentwurf heißt es sogar ausdrücklich, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Vertrauensarbeitszeit vereinbaren können – der Gesetzgeber bekennt sich daher ausdrücklich zu dieser Form des Arbeitens. In diesem Fall verzichtet der Arbeitgeber auf die Festlegung von Beginn und Ende der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit. Er „vertraut“ dabei darauf, dass der Arbeitnehmer der vertraglichen Arbeitsverpflichtung nachkommt, ohne dieses zu überprüfen. Einzuhalten sind jedoch die Vorgaben des öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitschutzes – dies ist insoweit nicht neu, denn auch bisher mussten im Rahmen der Vertrauensarbeitszeit die Beschränkungen des ArbZG beachtet werden, insbesondere die werktägliche Höchstarbeitszeit und die Ruhezeit. Arbeitszeitaufzeichnung und „Vertrauensarbeitszeit“ schließen sich folglich nicht aus. Insbesondere eine elektronische Dokumentation – so die Gesetzesbegründung – erleichtert es dem Arbeitgeber, die arbeitsschutzrechtliche Arbeitszeit aufzuzeichnen, ohne die vertragliche Arbeitszeit kontrollieren zu müssen. Letztlich bedeutet dies allerdings, dass die Arbeitszeit in diesem Modell uneingeschränkt (im Zweifel elektronisch) erfasst werden muss. In § 16 Abs. 4 RefE-ArbZG wird geregelt, dass der Arbeitgeber bei „Vertrauensarbeitszeit“ zumindest sicherstellen muss, dass ihm Verstöße gegen die Bestimmungen des ArbZG zu Dauer und Lage der Arbeits- und Ruhezeiten bekannt werden (Anmerkung: nicht erfasst sollen hier die Pausenzeiten sein? Ob dies so beabsichtigt war?). Dies kann z.B. – so die Begründung zum Entwurf – durch die entsprechende Meldung eines elektronischen Arbeitszeiterfassungssystems erfolgen. Durch die Regelung wird die Aufzeichnung von Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit nicht entbehrlich (!), Arbeitgeber erhalten jedoch die notwendige Rechtssicherheit für die Arbeitszeitaufzeichnung, wenn sie bei vereinbarter „Vertrauensarbeitszeit“ auf die Kontrolle der vertraglichen Arbeitszeit verzichten. Denn das BAG hat bereits 2003 entschieden, dass der Arbeitgeber auch bei Vertrauensarbeitszeit seinen Betrieb derart zu organisieren hat, dass er die Einhaltung der geltenden Gesetze, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen gewährleisten kann.

Für die internen Arbeitnehmer von Personaldienstleistern mit Vertrauenszeit muss also grundsätzlich die Arbeitszeit ebenfalls elektronisch erfasst werden – dies dürfte für viele Zeitarbeitsunternehmen mit entsprechenden Änderungen verbunden sein. Eine "Vogel-Strauß-Mentalität" half schon in der Vergangenheit nicht weiter, da eine (zumindest analoge) Erfassungspflicht auf Grundlage der Entscheidung des BAG vom 13.09.2022 schon bestanden hat, die bei einer Missachtung allerdings nicht ohne weiteres bußgeldbewehrt war; spätestens ab Bekanntwerden des Referentenentwurfs dürfte aber klar sein, wohin die Reise gehen wird. Auch wenn dieser sicherlich noch im Laufe des Abstimmungs- und Gesetzgebungsverfahrens angepasst wird, dürfte nicht davon auszugehen sein, dass die Vertrauensarbeitszeit an sich von der Aufzeichnungspflicht ausgenommen wird. Dies dürfte nicht mit europarechtlichen Vorgaben in Einklang stehen. Vor diesem Hintergrund sollte die bis zu einer gesetzlichen Regelung verbleibende Zeit sinnstiftend genutzt werden, um sich bereits über in Betracht kommende Prozesse bei der Arbeitszeiterfassung Gedanken zu machen und Lösungen – zumindest auf dem Papier – zu entwickeln, die dann kurzfristig umgesetzt werden können. Wichtig ist, dass man vorbereitet ist und keine hektische Betriebsamkeit ausgelöst wird, wenn die Pflicht zur elektronischen Zeiterfassung "auf einmal" – und dann verbindlich – an die Tür klopft.

 

Dieser Beitrag von Prof. Dr. Marion Bernhardt, Dr. Alexander Bissels, Dela Herr, Sebastian Schneider und Neil Yeats wurde zunächst im „Infobrief Zeitarbeit“ veröffentlicht.

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