01.10.2020 Edgar Schröder

„Sachargumente dringen gar nicht mehr durch“

  • Der Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages wird sich am 5. Oktober 2020 mit dem Entwurf der Bundesregierung für das Arbeitsschutzkontrollgesetz befassen. Ziel des Gesetzesentwurfes ist es unter anderem, den Einsatz von Werkvertrags- und Zeitarbeitnehmern in der Fleischindustrie zu verbieten
  • Im Vorfeld fasst Edgar Schröder den Stand der öffentlichen Diskussion noch einmal zusammen. Dabei stellt er fest: „Sachargumente dringen in dieser emotional aufgeladenen Debatte gar nicht mehr durch. Die Berichterstattung über bundesweite Großrazzien bei mehreren Zeitarbeitsunternehmen Ende September wirkt wie ein Brandbeschleuniger.“
  • Folglich prognostiziert der Berater der Zeitarbeit: „Wir müssen davon ausgehen, dass das Gesetzesvorhaben des Bundesarbeitsministers Hubertus Heil ohne deregulierende Veränderungen von Bundestag und Bundesrat verabschiedet wird.“

Am 5. Oktober 2020 befasst sich der Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung für das sogenannte Arbeitsschutzkontrollgesetz. Im Fokus zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie steht die Vorgabe, dass in den Bereichen Schlachtung, Zerlegung und der Fleischverarbeitung einschließlich der Portionierung und Verpackung kein Fremdpersonal eingesetzt werden darf. Der Einsatz von Werkvertrags- und Zeitarbeitnehmern soll umfassend in dem „Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft (GSA Fleisch)“ verboten werden.

In einem einzigartigen gemeinsamen Statement von elf TOP-Experten wird das geplante Verbot der Arbeitnehmerüberlassung als verfassungs- und europarechtswidrig bewertet. Meine Positionierung lautet bekanntermaßen: „Werkverträge und Leiharbeit in der Fleischindustrie: kein Regulierungs- sondern ein Vollzugsproblem.“

Sachargumente dringen nicht mehr durch
Nur dringen Sachargumente in dieser emotional aufgeladenen Debatte gar nicht mehr durch.

Die Berichterstattung über die bundesweite Großrazzia am 23. September 2020 an den Standorten mehrerer Zeitarbeitsunternehmen, die illegal Arbeitnehmer aus Osteuropa für die Fleischindustrie nach Deutschland geschleust haben sollen, wirkt wie ein Brandbeschleuniger. Der Kommentar der Wirtschaftsredakteurin Jessica von Blazekovic mit dem Titel „Wer nicht hören will“ tut mir persönlich weh:

„Den Unternehmen abzuverlangen, auch die Identität der Arbeitnehmer zu überprüfen, geht sicherlich zu weit. Und doch läge es gerade im Interesse der ohnehin schon in Verruf geratenen Branche, genauer hinzuschauen, wen sie da eigentlich beschäftigt. Es ist gut, dass die Politik nun aktiv wird. Wer nicht hören will, muss eben fühlen.“

Wir müssen davon ausgehen, dass das Gesetzesvorhaben des Bundesarbeitsministers Hubertus Heil ohne deregulierende Veränderungen von Bundestag und Bundesrat verabschiedet wird.

– Edgar Schröder befürchtet:

Bemerkenswert ist hingegen der leider vergebliche Vorstoß des iGZ, der Einzelgewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) ein Verhandlungsangebot zu unterbreiten.

Wie geht das Gesetzgebungsverfahren weiter?
Den weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens wird die Zeitarbeitsbranche mit großer Spannung verfolgen. Mein ganz persönlicher Wunsch ist es, dass das ursprüngliche Statement des Wirtschaftsausschusses im Bundesrat ein starkes Echo in der parlamentarischen Diskussion erfährt:

„Weiterhin erscheint das Verbot des Einsatzes von Leiharbeitnehmern in der Fleischwirtschaft als problematisch. Die Leiharbeit hat sich gerade auch bei kleinen und mittelständigen Unternehmen für die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Fleischwirtschaft als essenziell erwiesen, insbesondere zur Abfederung saisonaler Produktionsspitzen. Sofern Unternehmen entsprechende Engpässe nicht durch Leiharbeitnehmer ausgleichen können, wären negative Auswirkungen auf die Versorgung der Bevölkerung nicht auszuschließen.“

In der Neufassung der Bundesrats-Ansprache 426/1/20 wurde die Stellungnahme allerdings verwässert:

„Auch die Umsetzung der Regelungen der §§ 6a und 6b GSA Fleisch bedarf einer sorgfältigen wissenschaftlichen Begleitung und zeitnahen Evaluierung. Das Verbot des Einsatzes von Fremdpersonal in der Schlachtung einschließlich der Zerlegung von Schlachtkörpern sowie im Bereich der Fleischverarbeitung schränkt Handlungsspielräume und Flexibilität der betroffenen Unternehmen erheblich ein. Angesichts der einschneidenden Folgen gilt es zum einen, die Auswirkungen des Verbots für die Unternehmen umfassend zu untersuchen. Andererseits ist zu prüfen, ob und inwieweit die intendierten Wirkungen (insbesondere Verbesserungen bei der Einhaltung von Arbeitnehmer- und Arbeitsschutzrechten, Schutz der öffentlichen Gesundheit) tatsächlich erreicht werden.“

Fazit

Wir müssen davon ausgehen, dass das Gesetzesvorhaben des Bundesarbeitsministers Hubertus Heil ohne deregulierende Veränderungen von Bundestag und Bundesrat verabschiedet wird. Nach Verkündung im Bundesgesetzblatt und seinem Inkrafttreten wird das Arbeitsschutzkontrollgesetz mit absoluter Sicherheit in letzter Instanz seitens des Bundesverfassungsgerichts sowie Europäischen Gerichtshofs auf die Verfassungs- und Europarechtskonformität überprüft werden.


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