12.05.2020 Niels Brabandt

So führt ein moderner Chef

  • Niels Brabandt, der Inhaber und Gründer von NB Networks, weiß: Schlechte Führung bleibt der Hauptgrund, warum Mitarbeiter ein Unternehmen verlassen
  • In der Zeitarbeit seien es vor allem die Disponenten, von denen heute mehr erwartet wird als je zuvor. „Gerade diese hohen Anforderungen bedürfen hervorragender Führung“, so Brabandt
  • Um den stressigen Disponenten-Alltag nachhaltig besser zu gestalten, rät Brabandt zu regelmäßigen Treffen, in denen Missstände klar angesprochen werden: „Hierbei ist es wichtig, dass die Führungskraft nicht sofort mit einer ausweichenden Abwehrhaltung reagiert. Sonst haben die Mitarbeiter bald kein Interesse mehr am Austausch.“

Die Ansprüche an die Zeitarbeit werden höher. Zurückgefahrene Vertragszahlen, eine immer striktere Regulierung, drohende Sektoralverbote und dann: COVID-19, Corona-Krise, Shutdown der Wirtschaft. Veränderung, meist mit dem Terminus Change selbst im Deutschen bezeichnet, ist allgegenwärtig. In dieser sich schnell ändernden Zeit ist es unabdingbar wichtig, dass Sie die besten Arbeitskräfte für sich gewinnen. Dies gilt sowohl für das interne Team wie auch für die von Ihnen überlassenen Personen beim Kunden. Obgleich solche Marktveränderungen auch Konsequenzen für die Führung haben sollten, zeigt die Praxis ein anderes Bild.

Führung muss moderner werden
Der Begriff ‚New Work‘ ist heute in aller Munde. Leider bleibt er dort auch in den meisten Fällen. Die Wertebekenntnisse auf der Webseite, das Motivationsplakat im Aufzug, die übermäßige Betonung des Menschen im Mittelpunkt – alle diese Erscheinungen haben dazu geführt, dass aufgrund eines Mangels an der praktischen Umsetzung das Misstrauen gegenüber Unternehmen und deren Führung umso größer geworden ist. Es reicht heute meist in einem Management-Meeting nur die Worte Homeoffice oder Fernarbeit in die Runde zu werfen und der Raum explodiert in einer wilden Diskussionsorgie. Auch in Corona-Zeiten sah es kaum besser aus. Widerwillig fügten sich zahlreiche Unternehmen dem Zwang, dass eine Anwesenheit im Büro nicht mehr möglich ist. So schnell wie möglich wurden bereits jetzt Mitarbeitende zurückgerufen. Präsenz ist für viele Führungskräfte eben doch nur eines: Anwesenheitskontrolle. Eine Batterie an Ausreden hagelt auf einen ein, sobald man andere Optionen aufzeigt, sodass auch die motiviertesten, innovationstreibenden Mitarbeiter entnervt aufgeben. Selbst Argumente wie nicht einhaltbare Mindestabstände, gemeinsam genutzte Geräte wie Kopierer, Kaffeemaschinen oder fehlende Desinfektionsmöglichkeiten auf den sanitären Anlagen hielten viele nicht ab. Produktivität und Profitabilität geht für viele Führungskräfte über das viel versprochene Vertrauen.

m/w/d = männlich, weiß, deutsch?!
Wenn Sie unflexibel bleiben, dann kostet Sie dies am Ende viel Geld. Vertrauen ist irreversibel zerstört, die besten Kräfte werden sich schnellstmöglich anderweitig bewerben während gleichzeitig die schlechtesten Kräfte natürlich bleiben.

Sätze wie „Mein Führungsstil ist halt so wie er ist. Das dürfen Sie nicht persönlich nehmen. Manchmal bin ich eben ein wenig laut.“ oder „Es gibt Gründe, warum es Arbeit und nicht Urlaub heißt.“ zeugen von einer zutiefst veralteten Mentalität. Dieses Problem zeigt sich gleichermaßen in konzernartigen Strukturen wie auch in inhabergeführten Unternehmungen. Die Weisheit „Glauben Sie, ich wäre mit Ihrer Einstellung heute hier angekommen, wo ich bin?“ ist die Krönung eines Leadership-Gedankens, welcher „m/w/d“ anders als normal interpretiert: männlich, weiß, deutsch. Eine Garantie für nicht nachhaltige Führung. Die Folgen sind in und gerade nach der Krise umso verheerender: niedrigere Motivation, höhere Fluktuation und als Ergebnis eine niedrigere Produktivität. Der Schaden an der Arbeitgebermarke, online und offline, wird sich in einem höheren Budgetbedarf im Recruiting bei gleichzeitig niedrigerem Ertrag zeigen.

Führung heute hat sich an den Bedürfnissen der Mitarbeitenden zu orientieren. Eine Regelung zur Fernarbeit eröffnet Ihnen die Möglichkeit Kräfte zu gewinnen, welche Ihnen vorher vom Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung standen. Die technische Umsetzung ist längst nicht mehr investitionsintensiv. Lösungen von ‚Flex Time‘ bieten Ihnen verschiedene Modelle, um sich den Lebensmodellen Ihrer Mitarbeiten anzunähern. Dies macht Sie nicht nur als Arbeitgeber interessanter, Sie können auch sicher sein, dass diese Mitarbeitenden das Unternehmen nicht verlassen werden. Die Motive Ihres Teams und jeder einzelnen Person in jenem sind für Sie die Maßgabe. Die Führungskraft tritt in den Hintergrund. Die alte Führung der starken Person, welche sich, nicht selten selbstdarstellerisch, vor alle stellt, gehört ebenso der Vergangenheit an wie eine unflexible Unternehmung, welche sich eher dazu herablässt, gute Arbeitsplätze anzubieten anstatt dankbar zu sein für jene, die heute für Sie arbeiten möchten.

„Minimum wage means minimum effort“
Stellen Sie die positiven – allerdings die wirklich positiven Seiten und nicht jene, von denen Sie reden, ohne Sie einzuhalten – in den Vordergrund. Motivations-Parolen, nicht selten heute in Groß-Events ohne Sinn, Nutzen oder Nachhaltigkeit skandiert, ersparen Sie bitte sowohl sich als auch Anderen. Nur weil Sie diese mögen heißt es noch lange nicht, dass dies bei auch nur einer einzigen anderen Person so ist. Meist wird hinter vorgehaltener Hand über diese Durchhalteparolen nur gelacht. Dies gilt insbesondere im deutschsprachigen Raum. Der gezwungene Transfer einer US-getriebenen Zwangsmotivationskultur ist die Kapitulationserklärung jeder Führungskraft.

Gute Führung in einer guten Atmosphäre entschädigt nur bedingt bis gar nicht für schlechte Bezahlung.

– Niels Brabandt über den Faktor „Gehalt“:

Um einen Aspekt nur kurz anzusprechen: gute Führung in einer guten Atmosphäre entschädigt nur bedingt bis gar nicht für schlechte Bezahlung. Die Löhne sind bereits in den vergangenen Jahren nicht adäquat angepasst worden. Der Grundsatz „Minimum wage means minimum effort“ (übersetzt: „Mindestlohn bedeutet Mindesteinsatz“) passt hier sehr gut. Völlig egal, wie sehr Atmosphäre, Chancen oder Weiterentwicklung geboten werden, eine angemessene Bezahlung wird beeinflussen, ob gute Arbeitskräfte gewonnen werden können oder nicht. Dies gilt intern wie extern.

Disponenten im Kreuzfeuer der Moderne
Von Disponenten wird heute mehr erwartet als jemals zuvor. Vermittlung von Personal, Gespräche mit jenen, Telefonate oder Meetings mit Kunden, Vertragsüberwachung oder auch -gestaltung, Dokumentation, Neukundenakquise, Bestandskundenbetreuung, Preisverhandlungen, Kommunikation intern wie extern, Konfliktmanagement – und dies bitte alles ohne Überstunden aufzubauen. Sie sehen bereits, dass es wenig realistisch erscheint, wenn das jemand verlangt.

Führung benötigt Ziele. Diese jedoch sollten realistisch gesetzt sein. Leider wird heute beim bloßen Erwähnen des Wortes „realistisch“ sofort von ‚Ambitionen‘ gesprochen, welche man hat und dies sind, insbesondere nach Krisenzeiten, meist nichts anderes als Druckmomente, welche ungefiltert von der nächsthöheren Management-Ebene weitergegeben werden. Mit Ambitionen und ebenso ambitionierten Zielen hat niemand ein Problem, auch niemand in Ihrem Team. Wenn jedoch die Ziele schlichtweg ein Auslagern von betriebswirtschaftlichen Problemen auf die nächste, niedrigere Hierarchieebene ist, dann verlieren Sie Ihr Team bereits von Beginn an.

So ist es bekannt, dass bei einem Anbieter am Markt der Begriff „Zettelklotzweitwurf“ bereits zum Standardvokabular gehört. Anders als am Empfang einen Zettelklotz nahezu willkürlich und ohne Sinn zu hinterlassen, ist es auch nicht machbar, das Ziel von vier bis acht Kundenbesuchen pro Woche zu schaffen – die natürlich neben den Gesprächen und Telefonaten von über 100 zu vermittelnden Personen erfolgen sollen. Wenn Sie abstruse Ziele setzen, so wird Ihre Belegschaft schnell einen Weg finden, Sie mit Pseudomaßnahmen zufriedenzustellen und sich zeitgleich so schnell wie möglich anderweitig am Markt zu orientieren. Am Ende werden Sie sich wundern, warum die Kennzahlen stimmen, der Ertrag jedoch nicht. Das Ergebnis nicht nachhaltiger Führung.

Menschen verlassen keine Unternehmen. Menschen verlassen Menschen. Wenn Menschen Ihr Unternehmen verlassen, so ist der erste Ansatz nach Ihren eigenen Führungsfehlern zu suchen.

– Niels Brabandt betont:

Wie kann der Disponenten-Alltag besser aussehen?
Zum einen sollten Sie Stress so schnell wie möglich und ebenso proaktiv wie möglich begegnen. Der offene Austausch mit dem Team ist hier ein Schlüssel zum Erfolg. Halten Sie regelmäßige Treffen ab, in welchen Missständen klar angesprochen werden. Hierbei ist es wichtig, dass die Führungskraft nicht sofort mit einer ausweichenden Abwehrhaltung reagiert. Erfolgt ein solches Verhalten, so wird sehr schnell an einem Austausch kein Interesse mehr herrschen.

Ziele sind gemeinsam zu finden. Der Mythos, dass das Team und jedes Mitglied hierin mit möglichst geringen Zielen arbeiten möchte, ist hierbei nicht haltbar. Sollte dies so sein, so sind diesem resignativen Verhalten bereits Jahre von schlechter Führung vorausgegangen und damit wäre auch klar, wo die Ursache des Symptoms liegt.

Gewähren Sie Ihren Mitarbeitenden umfassende Freiheiten in Sachen Zeitmanagement und Tagesgestaltung. Dies wird zu den besten Ergebnissen führen, da jede einzelne Person ein Interesse daran hat, die Arbeit so gut wie möglich und zur vollen Zufriedenheit des Arbeitgebers zu erledigen. Voraussetzung für sehr gute Ergebnisse ist eine sehr gute, strukturierte und ebenso dokumentierte Einarbeitung. Wichtig hierbei: ein „Meine Tür steht Ihnen bei Fragen immer offen…und nun an die Arbeit, viel Erfolg!“ ist keine Einarbeitung! Auch nicht bei erfahrenen Mitarbeitenden.

Bieten Sie zudem umfassende Möglichkeiten der Aus-, Fort- und Weiterbildung an. Hierbei ist es nicht ausreichend, rein internes Wissen weiterzugeben oder sich auf ausschließlich fachliche Fortbildungen zu beschränken. Je mehr eine Fortbildung einem Mitarbeiter auch in der persönlichen Weiterentwicklung hilft, desto dankbarer wird dies wahrgenommen und mit entsprechender Leistung zurückgezahlt. Zudem erhöhen Sie das Vertrauen, die Motivation – und die Wahrscheinlichkeit, dass ein Talent die Organisation verlässt, wird deutlich geringer.

Fachliches, Persönliches, Arbeitsplatz, Arbeitsumfeld, Organisation, Besonderheiten und eigene Wünsche – dies sind nur einige Punkte, welche im heutigen Führungsspektrum zu berücksichtigen sind. Selbst wenn Sie nichts davon persönlich einsehen, so mag als allerletztes die aktuelle Arbeitsmarktlage und der Fachkräftemangel ein Anlass sein, sich in der Führung zu ändern.

Fazit: Umsetzen, umsetzen, umsetzen …

Wie sieht nun der Weg zu einer besseren Führung aus? Ab morgen alles brachial zu ändern, ist natürlich nicht zielführend. Nicht selten jedoch habe ich dies gesehen. Zu Beginn sind Gespräche mit dem Team und in Einzelgesprächen auch mit jeder Person darin notwendig. Hieraus bereits kann ein umfassender Plan für die nächsten und wichtigsten Schritte gewonnen werden. Dies ist der Beginn einer Veränderung zum Positiven hin. Setzen Sie das um. Alle Mitarbeitenden werden es Ihnen danken, denn Menschen verlassen nicht Unternehmungen. Menschen verlassen Menschen.


Für weitere, kostenlose und fortlaufende Informationen zum Thema Führung (und mehr) hält NB Networks einen wöchentlichen Expert Letter für Sie bereit. Unter https://expert-letter.NB-Networks.com sind alle Inhalte, selbstverständlich werbefrei, verfügbar. Alle Inhalte werden auf Deutsch und Englisch angeboten. Zudem erfolgen über den Expert Letter wöchentliche, kostenlose Trainings.


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