Inspiration für die Zukunftsbranche Personaldienstleistung
- Welche Herausforderungen muss die Personaldienstleistung heute und in Zukunft meistern? Und verbergen sich darin auch Chancen, die genutzt werden wollen? Im arbeitsblog-Interview sprechen wir mit Nicole Truchseß über die wichtigsten Themen für die Branche.
- Die Vertriebsexpertin geht darüber hinaus auf die Frage ein, warum Sales und Recruiting untrennbar miteinander verbunden sind.
- Nicht zuletzt erhalten wir einen Einblick in den Expertentag Zeitarbeit 2023, der dieses Jahr in neuem Format und in Kooperation mit der STAFFINGpro stattfindet.
arbeitsblog: Bewerbermangel, Rezession, (fehlende) Digitalisierung – um diese Stichworte kommt man derzeit in der Personaldienstleistungsbranche nicht herum. Werden diese Themen die Branche aus Ihrer Sicht auch längerfristig beschäftigen? Und gibt es weitere Trends und Entwicklungen, die die Personaldienstleister unbedingt im Blick behalten sollten?
Nicole Truchseß: Klar, alle drei Themen beschäftigen die Branche. Wie lange das noch der Fall sein wird, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Der Krieg in der Ukraine beispielsweise ist leider noch ein Thema und auch die Energiekrise, bei der es aktuell sehr unübersichtlich ist, wie es hier überhaupt weitergehen wird.
In Sachen Bewerbermangel ist aktuell vor allem die Branche entscheidend. Während in manchen Bereichen die Nachfrage weiterhin auf sehr hohem Niveau bleibt, werden in anderen schon wieder Mitarbeitende freigestellt. Insgesamt wird der Bewerbermangel aber auch auf lange Sicht ein Problem bleiben und sich womöglich noch verschlimmern, denn: Uns wird die schlechte Schulbildung auf die Füße fallen. Ich gehe davon aus, dass Arbeitgeber in den nächsten zehn bis 20 Jahren zunehmend die Lücken schließen müssen, die während der Schulzeit entstanden sind – sei es im Rahmen der Ausbildung, durch Onboarding oder Ähnliches. Aber genau hier ergibt sich eine Chance für Personaldienstleister, die eine Brücke schlagen und Unterstützung anbieten können – was sie aktuell viel zu selten tun.
Und klar wird auch die Digitalisierung weiterhin die Branche beschäftigen. Aktuell beobachten wir ja, welche Wellen das Thema KI schlägt – Stichwort ChatGPT.
Der Vorteil ist, dass alle genannten Themen alle Branchen gleichermaßen treffen. Das heißt, für Personaldienstleister bietet sich die perfekte Gelegenheit, mit potenziellen Kundenunternehmen ins Gespräch zu kommen, sich auszutauschen und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Dadurch wird sich meiner Meinung nach auch die Personaldienstleistung verändern und weiterentwickeln. In jeder Herausforderung steckt schließlich auch eine Chance. Das habe ich immer wieder erlebt – und ich bin schon eine ganze Weile in der Branche tätig und durchaus krisenerprobt.
Aktuell fällt mir aber eine weitere Entwicklung auf, die Ende 2022 ihren Anfang hatte und sich bislang auch durch 2023 zieht: Es findet derzeit ein Wandel statt – von „Ich brauche mehr Bewerber“ hin zu „Ich brauche mehr Kunden“.
Recruiting und Sales lassen sich heutzutage nicht mehr trennen – schon gar nicht in der Personaldienstleistung! Denn: Wer nicht mit Vertriebsaktionen auf sich aufmerksam macht und quasi unsichtbar bleibt, hat auf Dauer einfach keine attraktiven Stellen im Angebot.
arbeitsblog: Das würde im Umkehrschluss bedeuten: Auch wenn der Bewerbermangel bei vielen im Fokus steht, sollten sich Personaldienstleister nicht nur aufs Recruiting konzentrieren, sondern auch den Bereich Sales im Blick behalten, richtig?
Nicole Truchseß: Richtig, das ist schon seit Jahren unser Mantra und wir können es nicht oft genug betonen: Man darf den Vertrieb nicht vernachlässigen! Es ist ganz einfach: Recruiting und Sales lassen sich heutzutage nicht mehr trennen – schon gar nicht in der Personaldienstleistung! Man kann sich nicht für das eine oder andere entscheiden. Denn: Wer nicht mit Vertriebsaktionen auf sich aufmerksam macht und quasi unsichtbar bleibt, hat auf Dauer einfach keine attraktiven Stellen im Angebot – und das wiederum spricht sich am Bewerbermarkt herum. Wer über Monate und Jahre hinweg immer die gleichen zwei Stellen ausschreibt, verliert mit der Zeit unweigerlich an Attraktivität. Somit wirken sich fehlende Vertriebsaktivitäten indirekt auch auf den Bewerbungseingang aus. Diese Entwicklung macht sich nicht sofort bemerkbar, doch sie macht sich letztendlich bemerkbar. Und das ist mit das Faszinierende an der Personaldienstleistung: Wir haben so viele Zahnräder, die ineinandergreifen – und wenn man an einer Schraube dreht und eines der Zahnrädchen verstellt, wirkt sich das auf den kompletten Mechanismus aus.
Aus diesem Grund ist es auch essenziell, dass Personaldienstleister zum einen regelmäßig „frische“ Stellen ausschreiben – und zwar nicht solche, die andere schon nicht besetzen konnten – und zum anderen immer wieder Kunden gewinnen, mit denen sie auf Augenhöhe kommunizieren. Kunden, die offen für Neues sind und auch bei Preisverhandlungen mit sich reden lassen, da sie die Personaldienstleister als ihre Partner ansehen. Sonst verkommen die Personaldienstleister zu einem reinen Recruiting-Kanal, was gerade in Zeiten von Rezession fatal ist.
arbeitsblog: Wird das Zusammenspiel der einzelnen Bereiche auch ein Thema beim diesjährigen Expertentag Zeitarbeit am 17. Oktober 2023 in Wiesbaden sein?
Nicole Truchseß: Ja, das wird es. Wir haben uns dieses Jahr bewusst dazu entschieden, ein ganz neues Format auszuprobieren und uns auf die Themen zu fokussieren, die immer wieder eine zentrale Rolle spielen: Leadership, Sales und Recruiting. Dabei zeigen wir unter anderem an Beispielen aus der Praxis, wir die drei Themen ineinandergreifen, und stellen Lösungen für die größten Herausforderungen vor.
Personaldienstleister sind heute so breit und unterschiedlich aufgestellt wie noch nie zuvor. Während die einen schon einen TikTok-Kanal haben und ganz selbstverständlich Social Recruiting einsetzen, sind die anderen noch nicht einmal bei Xing. Das muss nicht unbedingt bedeuten, dass sie weniger erfolgreich sind – vielleicht arbeiten sie einfach viel mehr mit Empfehlungen, um ein Beispiel zu nennen. Je unterschiedlicher die Unternehmen aufgestellt sind und arbeiten, umso individueller sind auch die Herausforderungen, die sie in den kommenden Jahren meistern müssen. Hinzu kommt, dass sich die Auswirkungen der Pandemie bei vielen noch bemerkbar machen. Ich habe den Eindruck, es herrscht noch eine allgemeine Müdigkeit, etwa was Weiterbildungen angeht. Vielen ist es vielleicht auch zu viel, noch ein weiteres Event zu besuchen, bei dem das nächste Thema sprichwörtlich „durchs Dorf getrieben wird“ – sei es Fachkräftemangel, Inflation, Rezession oder eben jetzt künstliche Intelligenz und ChatGPT. Auch aus diesem Grund haben wir uns dazu entschieden, beim Expertentag einen ganz klaren Fokus aufs Wesentliche zu legen.
Ich halte die Personaldienstleistung für die Zukunftsbranche schlechthin – wenn ihre Vertreter jetzt die Chancen ergreifen, die sich ihnen bieten. Und dazu müssen sie zusammenhalten, sich weiterbilden, und offen für Neues sein.
arbeitsblog: Eine weitere Neuerung: Dieses Jahr besteht zwischen dem Expertentag Zeitarbeit und der STAFFINGpro, die am darauffolgenden Tag stattfindet, eine besondere Kooperation. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit, was war die Motivation?
Nicole Truchseß: Dazu muss ich zunächst ganz ehrlich sagen: Wir sind kein Profi im Eventbereich. Wir können Sales, Recruiting und Leadership – darin sind wir richtig, richtig gut und können auch einen bedeutenden Mehrwert bieten. Was die Veranstaltungen angeht, dachten wir uns: Warum connecten wir uns nicht mit anderen, die auf diesem Gebiet absolute Profis sind? Hier hat sich die Zusammenarbeit mit dem STAFFINGpro-Team rund um Alexander Petsch angeboten.
Bei der diesjährigen Konstellation bietet der Expertentag die ideale Gelegenheit für Führungskräfte, sich in einem geschützten Raum zu den wichtigsten drei Fokusthemen auszutauschen und wertvolle Impulse zu holen. Mit Martin Gaedt haben wir einen absoluten Experten auf dem Gebiet des Recruitings – und mit Amy Frank und Freddy Strauss zwei Vertreter der Generation Z, die sich mit TikTok und Co. bestens auskennen und einen frischen Blick mit einbringen. Die exklusive Abendveranstaltung im Anschluss wiederum sorgt für Leichtigkeit in einer ausgelassenen Atmosphäre. Bei der STAFFINGpro am nächsten Tag können sich die Besucherinnen und Besucher dann zu vielen unterschiedlichen Themen inspirieren lassen, was das Gesamtpaket abrundet. Und genau das wollen wir auch bieten: eine runde Sache für eine Branche, die wir absolut lieben. Ich halte die Personaldienstleistung für die Zukunftsbranche schlechthin – wenn ihre Vertreter jetzt die Chancen ergreifen, die sich ihnen bieten. Und dazu müssen sie zusammenhalten, sich weiterbilden, und offen für Neues sein.
arbeitsblog: Vielen Dank für das Interview!
Nicole Truchseß
Nicole Truchseß ist gelernte Handelsfachwirtin, Diplom-Betriebswirtin sowie ehemalige Personal- und Vertriebsleiterin und verfügt über 30 Jahre einschlägige Berufserfahrung. Als zertifizierter Businesscoach und Master akkreditierte Insights MDI®, EQ® und ASSESS® Beraterin begleitet sie vorwiegend große mittelständische Unternehmen bei Sales- & HR-Projekten.
Neben dem Expertentag Zeitarbeit organisiert Nicole Truchseß mit dem Truchseß & Brandl-Team dieses Jahr noch folgende Events bzw. Online-Fortbildungen:
TPS® – Touch Point Selling: Offenes Seminar am 13. Juni 2023 in Köln
Masterclass Touch Point Selling: zehnwöchiges Onlineprogramm ab dem 25. September 2023
TPS® Onlinekurs: Onlinetraining in fünf Etappen