Streit in der Koalition: Kippt das Zeitarbeitsverbot in der Fleischbranche doch noch?
- Ende Oktober, kurz vor der geplanten Verabschiedung im Bundestag, ist das Arbeitsschutzkontrollgesetz von der Tagesordnung verschwunden. Der Grund: Gesprächsbedarf innerhalb der Regierungskoalition
- Edgar Schröder nimmt die Entwicklung zum Anlass, um die Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales zum Gesetzentwurf nochmals zu rekapitulieren und um die Hauptstreitpunkte der Koalition zu beleuchten
- Als Alternative zum sektoralen Verbot bringt der Berater der Zeitarbeit die iGZ-Idee, auf Grundlage tarifvertraglicher Regelungen ausgewogene Rahmenbedingungen für die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten in der Fleischverarbeitung zu kreieren, ins Spiel
Die geplanten schärferen Regeln für die Fleischindustrie sind kurz vor der geplanten Verabschiedung im Bundestag gestoppt. Das entsprechende Arbeitsschutzkontrollgesetz, das die Koalition eigentlich in KW 44 im Bundestag verabschieden wollte, verschwand kurzerhand am 23. Oktober 2020 von der Tagesordnung. Es gebe noch Gesprächsbedarf, hieß es aus der Unionsfraktion.
Rund drei Wochen zuvor, am 5. Oktober 2020, fand die Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages zum Gesetzentwurf der Bundesregierung für das so genannte
Arbeitsschutzkontrollgesetz statt. Die Experten übten heftige Kritik, insbesondere zum sektoralen Verbot der Zeitarbeit in der Fleischindustrie. Prof. Dr. Gregor Thüsing wies als eingeladener Sachverständiger darauf hin, es sei „ein ungewöhnlicher Vorgang, wenn elf führende Kommentatoren des Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG), darunter ein ehemaliger Bundesarbeitsrichter der eher der SPD zugeneigt ist, gemeinsam einen Artikel verfassen, in dem ein geplantes Gesetz für verfassungs- und europarechtswidrig erklärt wird.“
Prof. Dr. Stefan Greiner brachte es kurz und prägnant auf den Punkt: „Corona mag der Anlass gewesen sein. Im Kern geht es aber um den Grundsatz einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung. Die Zeitarbeit unterliegt einem intensiven Regulierungsniveau und ist nicht prekär.“
Robert Houdek von der Interessengemeinschaft der bayrischen, familiengeführten Ernährungsindustrie erläuterte, wie abhängig sein Betrieb der Fleischveredelung von streng arbeitsteilig organisierten Produktionsabläufen ist. Zwar würden im Kernbereich seines Betriebes Metzger arbeiten, aber allein schon die Logistik und die spezialisierte Reinigung der Verpackungsräume seien über Werkverträge organisiert. „Würde man uns das verbieten, müssten wir morgen zu machen“, sagte Houdek.
In diesem Zusammenhang möchte ich den französischen Schriftsteller, Philosoph und Staatstheoretiker Charles Baron de Montesquieu zitieren: „Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen.“
In einem Beitrag der WELT fasst Friedrich-Otto Ripke, Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG), das Schauspiel treffend zusammen: „Das Vorgehen der Politik gleicht einem Tribunal.“
Worüber wird in der Koalition jetzt gestritten?
Einer der Hauptstreitpunkte innerhalb der Regierungskoalition über schärfere Regeln für die Fleischindustrie ist die Zeitarbeit. Das geplante sektorale Verbot der Zeitarbeit raubte laut der stellvertretenden Unions-Fraktionschefin Gitta Connemann den Betrieben die nötige Flexibilität, sie könnten in Zeiten mit besonders hoher Nachfrage nicht mehr die Produktion hochfahren. Gerade zur Grillsaison müssten die Firmen schnell Mitarbeiter aufstocken können. „Wir reden hier über die Zukunft von mehr als 1.300 Betrieben in Deutschland“, mahnt Connemann im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio.
Der CSU-Bundestagsabgeordnete Max Straubinger hält Zeitarbeit auch in der Fleischindustrie für unverzichtbar und kündigt an: „So kann dieses Gesetz nicht verabschiedet werden.“ Außerdem fürchtet man in der Union zu Recht, dass Arbeitsminister Heil das Verbot von Zeitarbeit auf andere Branchen übertragen könnte.
Unions-Fraktionsvize Hermann Gröhe kritisierte, die SPD verweigere sich jeder sachgerechten Regelung für besondere Auftragsspitzen in der Fleischverarbeitung. „Hier wollen wir in einem eng begrenztem Rahmen Zeitarbeit erlauben, für die selbstverständlich die Arbeitsschutzvorschriften vollumfänglich gelten werden.“
Signalwirkung darf nicht unterschätzt werden
Für die Zeitarbeitsbranche ist es strategisch und perspektivisch immens wichtig, dass das sektorale Verbot im Gesetzentwurf gestrichen wird. Die Signalwirkung auf die Bundesratsinitiative des Landes Berlin „Kein Ersatz von festangestellten Pflegekräften durch Leiharbeitskräfte“ darf keineswegs unterschätzt werden!
Fazit
Die Idee seitens des iGZ, auf Grundlage tarifvertraglicher Regelungen ausgewogene Rahmenbedingungen für die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten in der Fleischverarbeitung zu kreieren, halte ich persönlich für gut! Dementsprechend appellierte Prof. Dr. Thüsing in der öffentlichen Anhörung am 5. Oktober 2020, ein Tarifvertrag könne Missstände zielgenauer und praxisgerechter in den Blick nehmen und im Sinne einer marktwirtschaftlichen Ordnung sowie des grundgesetzlichen Auftrages der Tarifparteien regeln. In diesem Zusammenhang möchte ich den französischen Schriftsteller, Philosoph und Staatstheoretiker Charles Baron de Montesquieu zitieren: „Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen.“
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