30.05.2023
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Wichtiger Verhandlungstermin am 31. Mai in Erfurt

  • Sind die Normen der Tarifverträge der Zeitarbeit europarechtskonform? Mit dieser Frage setzt sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) auseinander.
  • Schon im Rahmen des morgigen Sitzungstages wird eine Entscheidung erwartet – und die Branche blickt bereits gespannt nach Erfurt.
  • Auf welche möglichen Konsequenzen soll sich die Personaldienstleistung einstellen? Am Tag vor dem Verhandlungstermin ordnet Branchenexperte Edgar Schröder die Entwicklungen ein und gibt eine Einschätzung ab.

Der 5. Senat des Bundesarbeitsgerichts wird anhand der „Leitplanken“ des Europäischen Gerichtshofs zur Abweichung vom Gleichbehandlungsgrundsatz (Equal Treatment) durch Zeitarbeitstarifverträge im zugrunde liegenden Einzelfall prüfen, ob die Normen des iGZ-Tarifwerkes europarechtskonform ausgestaltet sind (vgl. Vorbericht des 5. Senats).

Aus meiner Sicht besteht das Risikopotential in der Fallgruppe der befristet beschäftigten Zeitarbeitnehmer. Die Rechtsanwälte Dr. Oliver Bertram und Dr. Anne Förster, beide Partner bei Taylor Wessing (Büro Düsseldorf), die das beklagte Zeitarbeitsunternehmen TimePartner Personalmanagement GmbH in diesem Einzelfall vor Gericht vertreten, bewerten diese Fallgruppe gleichermaßen risikobehaftet. Deren Empfehlung lautet, vorsorglich auf den Einsatz befristet beschäftigter Zeitarbeitnehmer auf Grundlage eines Zeitarbeitstarifvertrages zu verzichten. (vgl. SPA 2023, Seite 30)

Der 5. Senat des BAG wird am 31. Mai 2023 einen besonders wichtigen Meilenstein zu dem gesetzestechnisch verankerten Rechtsanspruch auf Gleichbehandlung für Zeitarbeitnehmer markieren.

– Edgar Schröder

Edgar Schröder

In der Fachzeitschrift „NZA“, Heft 09/2023 vom 10.05.2023, reflektiert Professor Dr. Peter Schüren unter anderem den speziellen Typus „einsatzbefristeter Leiharbeitsverhältnisse“, auszugsweise Wiedergabe des Kapitels V Zusammenfassung:

2. Einsatzbefristete Leiharbeitsverhältnisse können mit den aktuellen Tarifverträgen nicht rechtlich haltbar durchgeführt werden. Hier könnte über eine tarifliche Einsatzzulage einfach Abhilfe geschaffen werden.

3. Befristungen gem. § 14 II TzBfG können ausnahmsweise mit den aktuellen Tarifverträgen durchgeführt werden, wenn mit Sicherheit keine Einsatzbefristung vorliegt und in erheblichem Umfang Nichteinsatzzeiten möglich sind.

Konsequenzen erst nach BAG-Entscheidung absehbar

Die beiden Arbeitgeberverbände der Zeitarbeit, der Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister e.V. (BAP) und der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V. (iGZ), haben am 15.05.2023 ihre Mitglieder inhaltsgleich über das sogenannte „Gesamtschutzverfahren“ informiert, auszugsweise Wiedergabe:

„… Da es sich im vorliegenden Fall um die Überlassung einer Zeitarbeitnehmerin handelte, die auf Basis eines befristeten Arbeitsvertrages beschäftigt war, könnten insbesondere befristete Arbeitsverhältnisse in der Zeitarbeit mit der anstehenden Entscheidung des BAGs in einen kritischen Fokus rücken. … Erst mit Vorliegen der Entscheidung des BAG dürfte absehbar werden, ob und welche weiteren Konsequenzen sich möglicherweise künftig für befristete und unbefristete Arbeitsverhältnisse sowie die Gestaltung von gesetzlichen und tariflichen Rahmenbedingungen in der Zeitarbeit ergeben …“

Der 5. Senat des BAG wird folglich am 31. Mai 2023 einen besonders wichtigen Meilenstein zu dem gesetzestechnisch verankerten Rechtsanspruch auf Gleichbehandlung für Zeitarbeitnehmer markieren.

Auswirkungen im Hinblick auf das AÜG

Nach meiner persönlichen Einschätzung wird die demnächst vorliegende BAG-Entscheidung die Ampel-Regierung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Änderungen gesetzlicher Stellschrauben im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) „inspirieren“.

Schließlich lautet deren Botschaft im Koalitionsvertrag: „Beim Arbeitnehmerüberlassungsgesetz prüfen wir im Falle einer europäischen Rechtsprechung, ob und welche gesetzlichen Änderungen unter Berücksichtigung der Gesetzesevaluierung vorzunehmen sind.“

Es gilt der eiserne Grundsatz: „Das AÜG ist nicht in Stein gemeißelt.“

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