10.06.2025 Christian Baumann

„Wir stehen an einem Scheideweg – für unsere Branche und die deutsche Wirtschaft.“

  • Am 24. Juni findet der Tag der Personaldienstleister statt – mit interaktiven Formaten, einem wirtschaftlich-politischen Fokus und einem klaren Blick in die Zukunft der Branche.
  • Christian Baumann, Präsident des Gesamtverbands der Personaldienstleister (GVP), spricht im Interview über wirtschaftliche Herausforderungen, notwendige politische Weichenstellungen und die Entwicklung des GVP seit seiner Gründung.
  • Zudem erklärt er, welche Rolle internationale Partnerschaften künftig für die deutsche Zeitarbeit spielen können, und warum Mut und Risikobereitschaft jetzt wichtiger sind denn je.

arbeitsblog: Hallo Christian, nach der erfolgreichen Premiere im Vorjahr steht am 24. Juni der zweite „Tag der Personaldienstleister“ des GVP mit Mitgliederversammlung und Fachkongress in Berlin an. Was erwartet die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dort?

Christian Baumann: Letztes Jahr war ja ein kompletter Neustart – wir haben einige Themen und Formate ausprobiert und viel daraus gelernt. Dieses Jahr wollen wir die Veranstaltung interaktiver gestalten und näher an den Bedürfnissen unserer Mitglieder ausrichten. Ursprünglich war der Tag stark politisch geprägt, was auch wichtig ist – das ist ja ein Kern unserer Arbeit. Aber diesmal rücken wir Wirtschaft und Politik gemeinsam stärker in den Mittelpunkt.

In der Mitgliederversammlung berichten wir zunächst, was wir im vergangenen Jahr alles bewegt haben – und das ist eine ganze Menge. Ich war bei der Vorbereitung der Präsentation selbst überrascht, wie viel da zusammengekommen ist.

Danach wollen wir uns mutig der Frage widmen: Wo geht die Reise hin? Denn – und da beißt die Maus keinen Faden ab – der Branche geht es derzeit nicht gut. Viele Unternehmen haben spürbare Umsatzrückgänge erlitten. Wir wollen Wege aufzeigen, wie ein zukunftsfähiges, ertragreiches Geschäftsmodell aussehen kann – im Dialog mit unseren Mitgliedern und mit politischem Weitblick. Dazu haben wir auch ein vielfältiges Rahmenprogramm vorbereitet.

Wir wollen Wege aufzeigen, wie ein zukunftsfähiges, ertragreiches Geschäftsmodell aussehen kann – im Dialog mit unseren Mitgliedern und mit politischem Weitblick.

Christian Baumann

arbeitsblog: Der öffentliche Fachkongress widmet sich in diesem Jahr dem Thema „Flexibel. Wirtschaft. Stärken.“. Welche politischen Rahmenbedingungen sind jetzt nötig, damit die Personaldienstleister die kriselnde deutsche Wirtschaft eben noch besser als bisher flexibel unterstützen können?

Christian Baumann: Wir haben seit einem Jahr sehr homogene politische Botschaften. Das ist wenig überraschend, denn leider hat sich die wirtschaftliche Lage in dieser Zeit nicht verbessert. Im Gegenteil: In vielen Bereichen hat sie sich verschärft. Wir brauchen mehr Autonomie für unsere Branche. Es muss Schluss sein mit übermäßiger Regulierung.

Ein Beispiel: Das Überlassungsverbot im Bauhauptgewerbe muss weg. Die Bundesregierung stellt Milliarden in Sondervermögen und Infrastrukturprogramme bereit, aber niemand sagt, woher die Menschen kommen sollen, die das alles umsetzen. Das ist fahrlässig. Wir brauchen gleiche Bedingungen wie in anderen Bereichen der Wirtschaft.

Und wir dürfen keine neuen Verbote oder Einschränkungen diskutieren. Im Koalitionsvertrag steht Zeitarbeit nur an einer Stelle: bei der Einschränkung in der Pflege. Das ist eine strukturelle Benachteiligung von Menschen auf dem Arbeitsmarkt und inakzeptabel.

Ein weiteres Thema ist das Aufenthaltsgesetz, das wir dringend reformieren müssen, damit Rekrutierung aus Drittstaaten besser funktioniert. Oder der Bürokratieabbau – der trifft unsere Kunden genauso wie uns. Wenn wir als Land wettbewerbsfähig bleiben wollen, müssen wir gemeinsam mit anderen Arbeitgeberverbänden an einem Strang ziehen. Wir stehen an einem Scheideweg: Entweder wir setzen auf wirtschaftliche Vernunft – oder auf politischen Dogmatismus. Wir hoffen auf Ersteres.

Wir brauchen mehr Autonomie für unsere Branche. Es muss Schluss sein mit übermäßiger Regulierung.

Christian Baumann

arbeitsblog: Der „Tag der Personaldienstleister“ ist ein Branchentreffen, bei dem hunderte Mitglieder des GVP aus allen Teilen Deutschlands zusammenkommen und sich auch über den Verband austauschen. Wie zufrieden bist du damit, wie sich der GVP rund 1,5 Jahre nach seiner Gründung präsentiert?

Christian Baumann: Das ist eine fiese Frage (lacht), weil mir nachgesagt wird, ich sei nie zufrieden. Da ist auch was dran. Mit der Zeit sehe ich immer mehr Themen, die man noch anpacken kann.

Aber wenn ich Bilanz ziehe, dann ist das, was wir in so kurzer Zeit geschafft haben, wirklich bemerkenswert. Diese Geschwindigkeit, diese Einigkeit zwischen Verbänden, diese Kraft, die daraus entstanden ist – das ist außergewöhnlich. Es macht mich nicht wegen meiner eigenen Leistung, aber wegen der Zusammenarbeit mit meinem Team schon ein bisschen stolz.

Wir haben es geschafft, dass sich Strukturen und Profile gefestigt haben, dass die richtigen Leute an Bord sind. Und wir haben eine ganz eigene Dynamik entwickelt, auch bei der Bearbeitung innovativer Themen. Wenn ich sehe, von wo wir gestartet sind, ist das einfach toll.

 

Christian Baumann

arbeitsblog: Gibt es noch etwas, das du unseren Leser*innen mitgeben möchtest?

Christian Baumann: Ja, ein Punkt ist mir noch wichtig: unsere internationalen Partnerschaften. Der deutsche Zeitarbeitsmarkt hat in Europa eine enorme Bedeutung. Umso mehr freut es mich, dass wir mit der World Employment Confederation (WEC) zusammenarbeiten und neue Kooperationen mit Österreich und der Schweiz aufbauen konnten. Die Präsidenten beider Länder sind beim Tag der Personaldienstleister dabei – das ist ein starkes Zeichen, denn: Internationale Zusammenarbeit wird ein zentrales Element unserer Arbeit bleiben.

arbeitsblog: Vielen Dank für das Gespräch!

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