Die Vermittlungsprovision erneut im gerichtlichen Kreuzfeuer!
- Auch wenn sich erst kürzlich der BGH mit den AGB-rechtlichen Anforderungen an eine vertragliche Regelung zur Zahlung einer Vermittlungsprovision an den Personaldienstleister (nach der „Übernahme“ von – vormals – an den Kunden überlassenen Zeitarbeitnehmern) hat befassen müssen und in diesem Urteil für die Praxis die Spielräume bei der Klauselgestaltung konkretisierte, sind damit noch nicht alle Streitfragen (höchstrichterlich) geklärt.
- So verwundert es aus Sicht von Dr. Alexander Bissels nicht, dass sich das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart jüngst damit auseinandersetzen musste, ob die von dem Personaldienstleister gestellte Provisionsabrede, die – anders als in der o.g. Entscheidung des BGH – zur Bestimmung der Höhe nicht an das Entgelt des übernommenen Zeitarbeitnehmers, sondern an den zwischen dem Personaldienstleister und dem Kunden vereinbarten Stundenverrechnungssatz anknüpfte, wirksam ist.
- Das OLG Stuttgart kam zu dem Ergebnis, dass die verwendete Klausel AGB-rechtlich unwirksam sein soll. Im Blogbeitrag ordnet Dr. Bissels, Partner und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei CMS Hasche Sigle, das Urteil ein und geht darauf ein, was Personaldienstleister bei der Vertragsgestaltung beachten sollten.
Der Entscheidung des OLG Stuttgart lag zusammengefasst folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin betreibt Arbeitnehmerüberlassung. Die Beklagte ist Inhaberin eines Betriebes für Metallbau. Am 14.08.2018 schlossen die Parteien einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag, der eine Laufzeit ab dem 15.08.2018 bis zum 14.02.2020 vorsah. In § 11 ist unter der Überschrift „Übernahme von Mitarbeitern/Vermittlung/Provision“ Folgendes vereinbart worden:
Eine Vermittlung liegt vor, wenn der Auftraggeber oder ein mit ihm rechtlich oder wirtschaftlich verbundenes Unternehmen während der Dauer des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages mit dem Arbeitnehmer der Z Personal ein Arbeitsverhältnis eingeht. Eine Vermittlung liegt auch dann vor, wenn der Auftraggeber oder ein mit ihm rechtlich oder wirtschaftlich verbundenes Unternehmen innerhalb von 6 Monaten nach Beendigung der Überlassung, mit dem Arbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis eingeht. […]
In den Fällen der 11.1 und 11.2 hat der Auftraggeber eine Vermittlungsprovision an die Z Personal zu zahlen. Befristete Arbeitsverhältnisse sind im gleichen Umfang provisionspflichtig wie unbefristete Arbeitsverhältnisse. Die Z Personal erhält eine Vermittlungsprovision nach folgender Staffelung:
- bis 4 Monate Überlassungsdauer 300 Std. x Verrechnungssatz
- bis 8 Monate Überlassungsdauer 200 Std. x Verrechnungssatz
- bis 12 Monate Überlassungsdauer 100 Std. x Verrechnungssatz
- Nach dem 12. Monate ununterbrochener Überlassungsdauer ist keine Provision mehr zu entrichten. […]
Berechnungsgrundlage der Vermittlungsprovision ist der zwischen dem Auftraggeber und der Z Personal angebotene bzw. vereinbarte Verrechnungssatz. […] Die Vermittlungsprovision ist zzgl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer zu zahlen. Die Fälligkeit der Vermittlungsprovision richtet sich nach § 6.1. […]"
Auf dieser Grundlage überließ die Klägerin der Beklagten die beiden Zeitarbeitnehmer X und Y. Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 18.11.2018 mit, dass der Einsatz der beiden Mitarbeiter am 21.12.2018 endet und diese am 07.01.2019 wiederkommen sollen. Zum 21.12.2018 endete die Beschäftigung der Zeitarbeitnehmer bei der Beklagten. Die Klägerin kündigte mit Schreiben vom 05.12.2018 den Zeitarbeitnehmern zum 21.12.2018. Ob die Mitteilung der Beklagten vom 18.11.2018 Grund für die Kündigung ist, ist zwischen den Parteien umstritten.
Die Klägerin fertigte neue Arbeitsverträge vom 12.12.2018 mit den beiden Zeitarbeitnehmern mit einem Arbeitsbeginn am 07.01.2019 aus. Ob diese an die Mitarbeiter übermittelt wurden, ist umstritten. Mit Schreiben vom 21.12.2018 kündigte die Beklagte sodann den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zum 04.01.2019. Ob die Klägerin den Einsatz der beiden Mitarbeiter bei einer anderen Firma geplant hat, ist zwischen den Parteien ebenfalls umstritten.
Zum 07.01.2019 stellte die Beklagte die beiden Arbeitnehmer bei sich ein; der Zeitpunkt des Arbeitsvertragsschlusses ist streitig, ebenso ob die Mitarbeiter zu diesem Zeitpunkt noch in einem Arbeitsvertrag zur Klägerin standen.
Mit Rechnung vom 25.02.2019 stellte die Klägerin der Beklagten – berechnet auf Grundlage der vertraglichen Regelungen – insgesamt 14.994,00 EUR brutto (Klageforderung) als Vermittlungsprovision in Rechnung. Das von der Klägerin beauftragte Inkassobüro forderte unter Vorlage der Rechnung die Bezahlung mit Schreiben vom 18.03.2019. Die darin geforderte Vermittlungsprovision ließ die Beklagte mit Schreiben vom 20.03.2019 zurückweisen, woraufhin die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 11.04.2019 die Rechnung vergeblich abgemahnt hat.
Das LG Stuttgart hat der von dem Personaldienstleister auf die Zahlung der Vergütung gerichteten Klage im Wesentlichen stattgegeben. Die hiergegen von dem beklagten Kunden eingelegte Berufung war erfolgreich. Die Klägerin könne – so das OLG Stuttgart – von der Beklagten keine Vermittlungsprovision verlangen.
Kritik an der Höhe der Vermittlungsprovision
Zwar lägen die vertraglichen Voraussetzungen von § 11 des Arbeitnehmerüberlassungsvertrags vor. Die beiden Zeitarbeitnehmer hätten während des bestehenden Arbeitnehmerüberlassungsvertrags mit der Beklagten einen Arbeitsvertrag geschlossen. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Arbeitsverträge mit den (früheren) Zeitarbeitnehmern habe der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zwischen den Parteien noch fortbestanden, weil die Kündigung der Beklagten vom 20.12.2018 unwirksam sei. Die Parteien hätten einen befristeten Vertrag abgeschlossen, der nicht ordentlich nach § 12 Nr. 2 des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages, sondern nur aus wichtigem Grund hätte gekündigt werden können. Ein solcher sei nicht vorgetragen worden. Selbst wenn der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag wirksam gekündigt worden wäre, schulde die Beklagte aufgrund des zeitlichen engen Zusammenhangs zwischen der Beendigung des Arbeitnehmerüberlassungsvertrags und dem Abschluss der Arbeitsverträge mit den (früheren) Zeitarbeitnehmern grundsätzlich eine Vermittlungsprovision.
Jedoch sei die Vertragsklausel über die Vermittlungsprovision – so das OLG Stuttgart – hinsichtlich der Provisionshöhe zu beanstanden. Diese enthalte zwar die nach der Rechtsprechung des BGH erforderliche degressive Staffelung nach der Verweildauer, die der Einstellung durch den Kunden vorangegangen sei. Auch werde eine Provision, die an eine Dauer der der Übernahme vorangehenden Überlassung von bis zu einem Jahr anknüpfe, von der Rechtsprechung akzeptiert. Hier sei die Vermittlungsprovision auf die Überlassungsdauer von bis zu 12 Monaten begrenzt. § 11 Nr. 5 des Arbeitnehmerüberlassungsvertrags orientiere sich im Hinblick auf die Höhe der Vermittlungsprovision – neben der Überlassungsdauer – an dem vereinbarten Verrechnungssatz mit dem Kunden. Damit berücksichtige die Klausel in ausreichender Weise die Qualifikation und die bisherige Tätigkeit des betroffenen Arbeitnehmers. Zu beanstanden sei aber, dass die Provisionshöhe nicht an den Bruttoverdienst des Arbeitnehmers bei dem neuen Arbeitgeber anknüpfe.
Das OLG Stuttgart geht bei der Prüfung der Angemessenheit von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aus. Danach werde vom BGH ein die Grenze von zwei Bruttomonatsgehältern nicht überschreitender Provisionshöchstsatz selbst dann noch im Rahmen der Angemessenheit i.S.v. § 9 Nr. 3, HS. 2 AÜG akzeptiert, wenn die Vergütungsregelung – wie hier – undifferenziert und ohne Beschränkung auf bestimmte Tätigkeitsbereiche sämtliche Segmente des Arbeitsmarkts erfasse (BGH v. 10.11.2011 – III ZR 77/). Der BGH messe die Höhe der Provision an folgenden Kriterien: Einerseits sei die Vermittlungsvergütung ein teilweiser Ausgleich für einen erheblichen wirtschaftlichen Nachteil, den der Personaldienstleister durch den ungeplanten Wechsel zum Kunden erleide, der durch die Einstellung des Arbeitnehmers hingegen einen wirtschaftlichen Vorteil erlange; andererseits solle die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers und das Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes nicht durch unangemessene Vermittlungsvergütungen wesentlich erschwert werden. Vor diesem Hintergrund solle die Höhe der Vergütung die Dauer der vorangegangenen Überlassung, die Höhe des von dem Kunden für diese bereits gezahlten Entgeltes und den Aufwand für die Gewinnung eines vergleichbaren Arbeitnehmers zu berücksichtigen sein. Gleiches gelte für die Verkehrsüblichkeit der vereinbarten Vergütung, das Marktniveau einer funktionsgleichen Vermittlungsleistung und die Qualifikation des Arbeitnehmers.
Diesen Kriterien werde die streitgegenständliche Klausel – zumindest auf den ersten Blick – gerecht, indem die Provision aus dem Produkt von Arbeitsstunden und Verrechnungssatz errechnet und die Arbeitsstunden maximal 300 und damit nicht mehr als die Arbeitsstunden von zwei Monaten betrügen, wenn man von einer 40 Wochenstunden ausgehe. Jedoch stelle die vorliegende Klausel nicht auf das künftige Jahresbruttoeinkommen der Arbeitnehmer bei der Beklagten ab, sondern lege unabhängig von der Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses immer die von der Überlassungsdauer abhängige Stundenzahl (multipliziert mit dem bislang angesetzten Verrechnungssatz) zu Grunde. Die Regelung beachte, indem sie nicht auf das künftige Bruttogehalt des Arbeitnehmers abstelle, den wirtschaftlichen Vorteil, den der Kunde erhalte, nicht hinreichend und schränke mit dieser Klausel die Berufsausübungsfreiheit der Arbeitnehmer unangemessen ein.
Eine Reduzierung der Vermittlungsprovision auf das angemessene Maß nach § 655 S. 1 BGB scheide aus. Die Vorschrift sei nicht anwendbar.
Kommentar von Dr. Alexander Bissels
Der Leitsatz des Urteils des OLG Stuttgart fasst die Entscheidung wie folgt zusammen:
„Eine Klausel, die eine Vermittlungsprovision vorsieht, wenn ein Auftraggeber im Zusammenhang mit einem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag mit dem überlassenen Arbeitnehmer ein neues Arbeitsverhältnis eingeht, ist unangemessen und deshalb unwirksam, wenn sich die Provisionshöhe nicht (auch) am künftigen Bruttoeinkommen des Arbeitnehmers orientiert und deshalb im Einzelfall die Provision die Grenze von zwei Bruttomonatsgehältern überschreiten kann.“
Auf Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung geht das Gericht zunächst davon aus, dass es für die Entstehung eines Anspruchs auf Zahlung der Vermittlungsprovision grundsätzlich nicht darauf ankommen kann, ob das Arbeitsverhältnis mit dem Zeitarbeitnehmer vor oder in Zusammenhang mit der Übernahme durch den Kunden von dem Personaldienstleister gekündigt worden ist. Dies entspricht den vom BGH erst kürzlich entwickelten Grundsätzen (Urt. v. 05.11.2020 – III ZR 156/19), die das OLG Stuttgart auf den vorliegenden Fall zu Recht überträgt, da aus der hiesig streitgegenständlichen Klausel keine Umstände ableitbar sind, aus denen sich eine Differenzierung nach dem Beendigungsgrund bzw. -tatbestand bzgl. der Entstehung eines Anspruchs auf die Zahlung der Vermittlungsprovision ergeben könnten. Auch kann die Berücksichtigung der Dauer des mit dem Kunden begründeten Arbeitsverhältnisses für die Bestimmung der Höhe wegen der damit verbundenen und ggf. missbräuchlich von diesem (im Zweifel kollusiv mit dem Zeitarbeitnehmer) nutzbaren Gestaltungsmöglichkeiten keine Rolle spielen.
Kritikwürdiges Gerichtsurteil
Beanstandet wird vom OLG Stuttgart jedoch, dass die Klausel – bei einer vom BGH verlangten und im vorliegenden Fall vereinbarten degressiven Staffelung der Vermittlungsprovision – an den zwischen dem Personaldienstleister und dem Kunden vereinbarten Stundenverrechnungssatz anknüpft und damit die weiteren, vom BGH entwickelten Kriterien nicht berücksichtigt werden. Richtig ist zunächst die Feststellung des OLG Stuttgarts, dass höchstrichterlich bislang nicht geklärt ist, ob und inwiefern eine entsprechende Provisionsregelung als materielles Kriterium zur Bestimmung der Höhe des Anspruchs (neben der vorgesehenen Degression) auf den Stundenverrechnungssatz aufsetzen kann. In den bisher dazu veröffentlichten, eher raren Entscheidungen äußern sich die mit dieser Frage befassten Gerichte überwiegend kritisch bzw. ablehnend.
Das aktuelle Urteil des OLG Stuttgart ist – zumindest in diesem Zusammenhang – kritikwürdig: in der von dem Gericht herangezogenen Entscheidung des BGH vom 10.11.2011 (Az. III ZR 77/11) hat der 3. Senat ausdrücklich die Wirksamkeit einer Provisionsregelung bestätigt, die an das Einkommen des übernommenen Zeitarbeitnehmers bei dem Kunden anknüpft, damit aber nicht gleichzeitig andere Gestaltungsmöglichkeiten als unzulässig verworfen. Der BGH weist ausdrücklich drauf hin, dass nach dem Willen des Gesetzgebers bei der Entscheidung der Frage, ob die Provision angemessen sei, die Dauer des vorangegangenen Verleihs, die Höhe des vom Entleiher für den Verleih bereits gezahlten Entgelts und der Aufwand für die Gewinnung eines vergleichbaren Arbeitnehmers berücksichtigt werden sollen. Damit wird ausdrücklich das Kriterium des Stundenverrechnungssatzes als möglich benannt. Der „Marktwert“ des übernommenen Arbeitnehmers manifestiert sich aber natürlich auch in dem zwischen dem Personaldienstleister und dem Kundenunternehmen vereinbarten Verrechnungssatz, da sich dieser insbesondere an der Qualifizierung und der Erfahrung des eingesetzten Mitarbeiters orientiert. Der Kunde zahlt für einen Facharbeiter (selbstverständlich) einen höheren Verrechnungssatz als für eine ungelernte Hilfskraft. Zudem wird übersehen, dass der BGH keine fixen Höchstgrenzen für eine Vermittlungsprovision festgelegt hat. Vielmehr erkennt der BGH erkennt an, dass eine Begrenzung der Provision auf 1,8 Monatsgehälter AGB-rechtlich wirksam ist, stellt aber damit nicht gleichzeitig fest, dass eine höhere Vergütung per se unzulässig sein soll. Dies zeigt sich insbesondere daran, dass der BGH auch Stimmen in der Literatur nennt, die eine Provision von bis zu drei Monatsgehältern als möglich ansehen.
Im Ergebnis schließt sich das OLG Stuttgart – ausgehend von der Feststellung der Unangemessenheit der Provisionshöhe – sodann richtigerweise der Ansicht an, dass eine „Abschmelzung“ auf das gerade noch rechtlich zulässige Maß nicht in Betracht kommt. Dabei mögen insbesondere die Erwägungen eine Rolle spielen, dass eine unangemessen hohe Provision bereits negativ auf die Willensbildung des Kunden einwirken kann, einen überlassenen Arbeitnehmer – aufgrund der damit verbundenen wirtschaftlichen Folgen durch die Verpflichtung zur Zahlung einer Vermittlungsprovision – überhaupt zu übernehmen, und dass damit die Berufswahlfreiheit des Mitarbeiters beeinträchtigt und im Übrigen auch der gesetzgeberisch intendierte „Klebeeffekt“ untergraben wird bzw. werden kann. Schlussendlich darf der Verwender der Provisionsklausel das Risiko der Unwirksamkeit der von ihm vorgegeben Klausel nicht dergestalt auf den Kunden abwälzen, indem er eine unangemessen, weil z.B. zu hohe Provision vorgibt und sich sodann darauf verlassen kann, dass ein Gericht diese im Streitfall auf das noch zulässige Maß reduziert. Dies würde im Zweifel dazu verleiten, sehenden Auges offensichtlich unwirksame Provisionen zu vereinbaren, ohne dass der Personaldienstleister ein (wirtschaftliches) Risiko trägt – entweder weil der Kunde beanstandungslos, da er gar kein Problembewusstsein entwickelt hat, die zu hohe Provision zahlt oder weil das Gericht eine (gerade noch) angemessene Höhe der (an sich unwirksamen) Provision festsetzt.
Kann eine höchstrichterliche Klärung herbeigeführt werden?
Interessant ist, dass das OLG Stuttgart noch auf den Umstand hinweist, dass die von dem Personaldienstleister gestellte Klausel aus einem anderen Grund unwirksam ist. Bereits § 11 Nr. 1 S. 2 hält einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht stand. Diese Bestimmung bewirkt eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners (hier: des Kunden), da diesem bei einer (nachlaufenden) Übernahme des überlassenen Zeitarbeitnehmers nach der Beendigung des Einsatzes die Möglichkeit des Nachweises genommen bzw. nicht ausdrücklich zugebilligt wird, dass es an der nötigen Kausalität der Überlassung für die spätere Übernahme fehlt. Eine derartige Klausel wird von der Rechtsprechung für die AGB-rechtliche Wirksamkeit verlangt (BGH v. 10.11.2011 – III ZR 77/11). Letztlich hätte das OLG Stuttgart die Klage über diesen „Mangel“ bei der Gestaltung der vertraglichen Bestimmung abweisen können. Das Gericht hätte folglich den höchstrichterlich bislang nicht geklärten Umstand, ob die Vermittlungsprovision (ausschließlich) an den zwischen dem Personaldienstleister und dem Kunden vereinbarten Stundenverrechnungssatz anknüpfen darf, nicht aufgreifen müssen. Dies deutet darauf hin, dass das OLG Stuttgart diese Frage bewusst in das Zentrum der Entscheidung gestellt hat, um die Möglichkeit zu schaffen, eine höchstrichterliche Klärung herbeizuführen. Ob der BGH hierauf „anspringt“, bleibt abzuwarten. Das OLG Stuttgart hat nämlich die Revision zugelassen, die inzwischen eingelegt worden ist (Az. III ZR 51/21), so dass sich der BGH (nochmals) mit den AGB-rechtlichen Anforderungen einer Klausel zur Zahlung einer Vermittlungsprovision wird befassen müssen. Es ist zumindest nicht ausgeschlossen, dass auf dieser Grundlage dann Klarheit für die Praxis geschaffen werden kann, ob und bejahendenfalls wie sich die Höhe einer Provision an dem zwischen dem Personaldienstleister und dem Kunden vereinbarten Stundenverrechnungssatz orientieren kann.
Bis zu einer höchstrichterlichen Klärung durch den BGH verbleiben letztlich bei einer solchen Klauselgestaltung AGB-rechtliche Zweifel an der Wirksamkeit der hiesig in Streit stehenden Provisionsabreden. Personaldienstleister müssen daher bei der Vertragsgestaltung entscheiden, ob diesen die Taube auf dem Dach oder der Spatz in der Hand lieber ist.
Abwägungen bei der Vertragsgestaltung
Letztlich zeigt die Entscheidung des OLG Stuttgart, dass eine gewisse „Kreativität“ bei der Gestaltung von vertraglichen Abreden zur Zahlung einer Vermittlungsprovision, die von den bisher höchstrichterlich anerkannten Klauseln abweicht, für den Personaldienstleister nicht frei von Risiken und Nebenwirkungen ist (mit der Folge, dass dieser mit seiner Forderung auf die Zahlung der an sich vereinbarten Provision nach einer Übernahme des überlassenen Zeitarbeitnehmers in Gänze ausfällt). Dies gilt – unter Berücksichtigung der bislang veröffentlichen instanzgerichtlichen Rechtsprechung –insbesondere, wenn das maßgebliche Kriterium zur Bestimmung der Höhe im Wesentlichen der zwischen dem Personaldienstleister und dem Kunden vereinbarte Stundenverrechnungssatz ist. Möglicherweise wäre das hiesige Verfahren abweichend entschieden worden, wenn und soweit das Zeitarbeitsunternehmen für die Höhe der Vermittlungsprovision eine Deckelung in der Klausel vorgesehen hätte, die sich wiederum an der Vergütung des übernommenen Zeitarbeitnehmers orientiert hätte. Damit würde (natürlich) der zunächst gewünschte Effekt, die Höhe der Provision möglichst einfach bestimmen zu können, insbesondere da der Stundenverrechnungssatz – in der Regel im Gegensatz zu der zwischen dem Kunden und dem Zeitarbeitnehmer im Arbeitsvertrag vereinbarten Vergütung – bekannt ist, unterlaufen. Auch wirtschaftliche Erwägungen dürften einer entsprechenden Klauselgestaltung entgegenstehen, ist die (ungedeckelte) Anknüpfung an den Stundenverrechnungssatz für den Personaldienstleister oftmals günstiger. In der Praxis mag dieser die entsprechenden Risiken, die aus einer ggf. AGB-rechtlich unwirksamen, weil (ungedeckelt) an die mit dem Kunden vereinbarte Vergütung anknüpfenden Provisionsregelung erwachsen können, oftmals eingehen – ausgehend von einer „Mischkalkulation“, bei der unterstellt wird, dass Kunden die Provision auf dieser Grundlage zahlen und damit nicht auszuschließende Ausfallrisiken in anderen Fällen kompensiert werden können. Bis zu einer höchstrichterlichen Klärung durch den BGH verbleiben letztlich bei einer solchen Klauselgestaltung AGB-rechtliche Zweifel an der Wirksamkeit der hiesig in Streit stehenden Provisionsabreden. Personaldienstleister müssen daher bei der Vertragsgestaltung entscheiden, ob diesen die Taube auf dem Dach oder der Spatz in der Hand lieber ist.
In diesem Zusammenhang ist allerdings auch darauf hinzuweisen, dass die von der Rechtsprechung entwickelten (insoweit einschränkenden) Kriterien bei der Vereinbarung einer Vermittlungsprovision für den Fall entwickelt wurden, dass der Personaldienstleister als Verwender die Klausel stellt. Sollte – was in der Praxis ebenfalls nicht ungewöhnlich ist – hingegen das Vertragsmuster (mit einer Provisionsabrede) von dem Kunden als dessen AGB verwendet werden, kann sich dieser zur Herleitung einer Unwirksamkeit selbiger nicht auf die limitierende Rechtsprechung berufen. Dieser ist an die von ihm gestellte Klausel gebunden. Auf dieser Grundlage hat er die Provision an den Personaldienstleister zu zahlen – auch und insbesondere für den Fall, dass diese an den zwischen den Parteien vereinbarten Stundenverrechnungssatz anknüpft.
Dieser Artikel wurde von Dr. Alexander Bissels erstellt und erschien zuerst im Newsletter „Infobrief Zeitarbeit“.
Dr. Alexander Bissels
Dr. Alexander Bissels ist Partner und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei CMS Hasche Sigle. Er berät Unternehmen auf sämtlichen Gebieten des Individual- und Kollektivarbeitsrechts, insbesondere zu Fragen im Bereich des Fremdpersonaleinsatzes (Arbeitnehmerüberlassung und Werkvertrag). Dr. Bissels ist Autor zahlreicher Publikationen, u.a. Mitherausgeber eines Standardkommentars zum AÜG. Darüber hinaus hält er regelmäßig Vorträge zu aktuellen arbeitsrechtlichen Themen.