06.10.2025

„Digitalisierung? Ja – aber nicht um jeden Preis“

  • Mathias Buchzik, Leiter Operative im Geschäftsfeld Personaldienstleistung bei Fürst, spricht im Interview über die Grenzen automatisierter Bewerberprozesse und erklärt, warum Fürst bewusst auf persönliche Betreuung setzt.
  • Fürst steht digitalen Lösungen grundsätzlich offen gegenüber – doch beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Recruiting bleibt Mathias Buchzik skeptisch: Entscheidungen über Menschen sollten nicht allein Algorithmen überlassen werden.
  • Für die Zukunft wünscht sich Buchzik einen Imagewandel der Zeitarbeit: weg vom Notnagel, hin zur anerkannten Säule moderner Arbeitswelten. 

arbeitsblog: Herr Buchzik, das Thema Digitalisierung ist derzeit in aller Munde. Wie digital ist Fürst Personal bereits aufgestellt?

Mathias Buchzik: Wir haben in den vergangenen Jahren viele Prozesse digitalisiert, vor allem im Bewerbermanagement. Wenn uns Lebensläufe zugeschickt werden, werden sie automatisiert ins System eingespielt. Auch interne Abläufe wie Dokumentation oder Kommunikation werden digital unterstützt. Ein Beispiel, das bei Bewerbenden wie auch bei Kunden sehr gut ankommt, sind unsere digital unterzeichneten Arbeitnehmerüberlassungsverträge. Das spart Zeit und macht den Prozess deutlich einfacher. Aktuell stellen wir außerdem unser ERP-System um, damit künftig noch mehr Automatisierung möglich ist.

arbeitsblog: Nutzen Sie bereits Künstliche Intelligenz in der Bewerberauswahl?

Mathias Buchzik: Nicht im eigentlichen Sinn. Und ehrlich gesagt: Wir beobachten den Markt zwar sehr genau, bleiben bei diesem Thema aber bewusst zurückhaltend. Der Einsatz von KI mag bei standardisierten Tätigkeiten sinnvoll sein, etwa in der Lohnabrechnung. Aber wenn es um Menschen geht, verlassen wir uns lieber auf Erfahrung und direkte Kommunikation. Denn oft fehlen Informationen im Lebenslauf oder sind beschönigt. Eine KI kann noch nicht erkennen, ob jemand zum Beispiel wirklich Stapler fahren kann, wenn im Lebenslauf nur „Staplerschein“ steht. Das klären wir durch zielgerichtete Fragen im Gespräch.

arbeitsblog: Was halten Ihre Kunden von KI-gestütztem Recruiting?

Mathias Buchzik: Die Rückmeldungen sind gemischt, wir bekommen aber auch viel Skepsis mit. Personalleiter*innen, Lagerverantwortliche oder Produktionsleiter*innen verlassen sich auf unsere Einschätzung. Sie wollen wissen, ob jemand ins Team passt – fachlich und menschlich. Wenn da eine KI aus ihrer Sicht geeignete Lebensläufe weitergibt und diese sich als unbrauchbar herausstellen, fehlt dieses Vertrauen und damit die Basis für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Im schlimmsten Fall führt eine Fehlbesetzung nicht nur zu Frust im Betrieb, sondern auch zu finanziellen Folgen für uns. Denn die Verantwortung – und damit auch die Haftung – liegt letztlich beim Personaldienstleister.

arbeitsblog: Heißt das: Digitalisierung ist bei Ihnen immer an den Menschen gekoppelt?

Mathias Buchzik: Genau. Technologie soll uns entlasten, nicht ersetzen. Digitale Prozesse können vieles beschleunigen, aber die Qualität der Auswahl, das Bauchgefühl im Gespräch und das Gespür für soziale Dynamiken kann keine Maschine leisten. Das unterscheidet uns auch von vielen großen, vollautomatisierten Personaldienstleistern. Unsere Kunden wissen, dass sie bei uns nicht auf Knopfdruck mehrere Kandidatenvorschläge lediglich durch eine KI entworfen bekommen, sondern realistische eingeschätzte Kandidat*innen, die von uns zuvor persönlich „profilt“ wurden.

Technologie soll uns entlasten, nicht ersetzen. Digitale Prozesse können vieles beschleunigen, aber die Qualität der Auswahl, das Bauchgefühl im Gespräch und das Gespür für soziale Dynamiken kann keine Maschine leisten. 

– Mathias Buchzik

arbeitsblog: Wo sehen Sie dennoch Potenziale – auch langfristig?

Mathias Buchzik: Das größte Potenzial gibt es aus meiner Sicht in der Effizienzsteigerung. Wenn wir wiederkehrende administrative Prozesse automatisieren, bleibt mehr Zeit für das, was wir am besten können: die persönliche Betreuung. Und wenn wir neue Technologien gezielt dort einsetzen, wo sie echten Mehrwert bieten, dann profitieren alle: Mitarbeitende, Kunden und wir als Unternehmen. Wichtig ist, dass wir dabei nicht austauschbar werden.

arbeitsblog: Abschließend gefragt: Was braucht die Branche für eine erfolgreiche Zukunft?

Mathias Buchzik: Mut zur Weiterentwicklung – aber mit Haltung. Wir dürfen nicht jedem Hype hinterherlaufen, sondern müssen reflektiert entscheiden, was zu uns passt. Zeitarbeit ist ein Geschäftsmodell mit enormem Potenzial, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch gesellschaftlich. Zwei der aktuell wichtigsten Themen sind dabei die Integration von Menschen in den Arbeitsmarkt und die Vermittlung dringend benötigter Fachkräfte – auch in sicherheitsrelevanten Branchen wie der Rüstungsindustrie. In beiden Feldern leistet Zeitarbeit einen entscheidenden Beitrag und zeigt, wie flexibel und lösungsorientiert sie arbeiten kann. Es wäre an der Zeit, dass wir das selbstbewusster zeigen und dass uns auch von außen wieder mehr zugehört wird. Digitalisierung, Integration, Arbeitskräftesicherung: Wir sind bereit, weiter Teil der Lösung zu sein. Wenn man uns lässt.

arbeitsblog: Vielen Dank für das nette Gespräch!

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