23.08.2022 Eric Odenkirchen

Nachweisgesetz oder die nächste CO2-Schleuder

  • Nachhaltig handeln, Ressourcen schonen, CO2-Ausstoß minimieren – diesen Zielen geben heutzutage sowohl Privatpersonen als auch Unternehmen höchste Priorität. Auch die Regierung will im Sinne der Umwelt agieren.
  • Dennoch hat sie vor Kurzem den Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Arbeitsbedingungenrichtlinie beschlossen. Somit wird der CO2-Ausstoß hierzulande auf lange Sicht unnötig in die Höhe getrieben.
  • Wie es dazu kommt? Das erläutert Eric Odenkirchen, Leiter des Fachbereichs Arbeits- und Tarifrecht beim iGZ.

Am 16. Juli 2022 betonte Bundeskanzler Olaf Scholz in einer Videobotschaft noch, dass die Bundesregierung trotz des Ukrainekrieges fest entschlossen sei, die Klimaziele Deutschlands zu halten. „Wir legen jetzt erst recht los und wollen jetzt erst recht alles tun, um die Klimakrise zu bekämpfen“, so der Bundeskanzler in einer Videobotschaft.

Nahezu gleichzeitig passiert der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der Arbeitsbedingungenrichtlinie den Bundesrat und kann damit wie geplant zum 01.08.2022 in Kraft treten. Weitreichende Neuerungen betreffen insbesondere das Nachweisgesetz.

Pflichtenpaket

Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber werden verschiedene Hinweis- und Nachweispflichten auferlegt, sie müssen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zum Beispiel Name und Anschrift der Vertragsparteien, Arbeitsentgelt, Arbeitszeit (spätestens) am ersten Arbeitstag aushändigen. Innerhalb von sieben Tagen müssen weitere Informationen (insbesondere Beginn des Arbeitsverhältnisses, ggf. Befristung, Arbeitsort, Tätigkeitsbeschreibung und Überstunden) nachgereicht werden. Damit ist aber noch nicht Schluss: Arbeitgeber sind verpflichtet, innerhalb eines Monats noch die übrigen Informationen gemäß § 2 Abs. 2 NachwG (etwa Urlaubsdauer, Fortbildungen oder Informationen zum Kündigungsverfahren) auszuhändigen.

Die Bundesregierung verlangt damit die zwingend die strenge Schriftform, ein Ersatz durch digitale Formate ist damit nicht zulässig.

– Eric Odenkirchen

Eric Odenkirchen (Foto: iGZ)

Niederschrift unterzeichnen

Garniert werden die neuen Pflichten durch § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG:

„Der Arbeitgeber hat die wesentlichen Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses innerhalb der Fristen des Satzes 4 schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen.“

Die Bundesregierung verlangt damit die zwingend die strenge Schriftform, ein Ersatz durch digitale Formate ist damit nicht zulässig. Dabei lässt Art. 3 der Arbeitsbedingungenrichtlinie die elektronische Form ausdrücklich zu, was alle übrigen EU-Mitgliedstatten in ihren nationalen Regelungen zur Umsetzung der Arbeitsbedingungenrichtlinie übernommen haben – nur Deutschland nicht. Unterstrichen durch einen neuen Bußgeldtatbestand mit Strafen bis zu 2.000 € je Verstoß bedeutet das für die Praxis die Rückkehr oder Beibehaltung des schriftlichen Arbeitsvertrages, so die Mehrheit der Experten.

So wird das auch nichts mit der Digitalisierung der Wirtschaft. Nicht umsonst steht Deutschland nach einer Studie des European Center for Digital Competitiveness in Berlin auf dem vorletzten Platz der G20-Länder.

– Eric Odenkirchen

Gesellschaftliche Akzeptanz

In Deutschland nutzen 2021 fast 67 Millionen Menschen das Internet – 100 Prozent der unter 50-Jährigen, 95 Prozent der Gruppe zwischen 50 und 69 Jahren und 77 Prozent der ab 70-Jährigen. Gründe, elektronische Nachweisformen auszuschließen, sind schwer zu finden. Die gesellschaftliche Akzeptanz für elektronische Nachweisformen besteht.

In Deutschland gibt es rund 45 Millionen Erwerbstätige, die durchschnittliche Fluktuationsquote liegt bei rund 30 Prozent. Keine Zahlen gibt es zu Änderungen bei den Arbeitsbedingungen im laufenden Arbeitsverhältnis. Aber auch hier ist von einer Quote um 30 Prozent im Kalenderjahr auszugehen. Dies bedeutet 15 Millionen neue Arbeitsverträge und noch einmal 15 Millionen Vertragsänderungen oder Ergänzungen in zweifacher Ausfertigung, das heißt 60 Millionen Dokumente mit einer bis zwölf Seiten müssen gedruckt werden. Der Versand kommt noch hinzu. 500 Tonnen CO2. Das ist absolut gesehen nicht viel, aber eine Summe, die ohne größere Anstrengung zu verringern ist. Und das jährlich. Gleichzeitig wird die Papierform zementiert, elektronische Nachweisformen verhindert und Sogeffekte zur weiteren Dekarbonisierung nicht genutzt.

Vorletzter Platz

So wird das auch nichts mit der Digitalisierung der Wirtschaft. Nicht umsonst steht Deutschland nach einer Studie des European Center for Digital Competitiveness in Berlin auf dem vorletzten Platz der G20-Länder.

Zum Glück wird ja jetzt alles getan.

 

 

Dieser Beitrag wurde am 10.08.2022 zuerst auf https://ig-zeitarbeit.de/nachweisgesetz-oder-die-naechste-co2-schleuder/ veröffentlicht.


Eric Odenkirchen

Eric Odenkirchen ist Leiter des Fachbereichs Arbeits- und Tarifrecht beim Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V. (iGZ). Als Syndikusrechtsanwalt berät er Verbandsmitglieder in Arbeits- und tarifrechtlichen Fragestellungen und führt Schulungen und Seminare zu diesen Themen durch.

Eric Odenkirchen bringt umfangreichen Führungserfahrung in verschiedenen Positionen im Dienstleistungssektor mit. Seine arbeitsrechtlichen Schwerpunkte liegen im Recht der Arbeitnehmerüberlassung und der Mitbestimmung.

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