09.11.2022 Redaktion arbeitsblog

Pflicht zur Arbeitszeiterfassung – und nun?

  • Das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt hat entschieden: Alle Arbeitgeber in Deutschland müssen die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeitenden erfassen.
  • Was bedeutet das Urteil konkret für Unternehmen und Personalabteilungen? Und besteht bereits heute Handlungsbedarf?
  • Im Blogbeitrag fassen wir den aktuellen Stand in Bezug auf die Arbeitszeiterfassung zusammen.

Während sich in immer mehr Unternehmen flexible Arbeitszeiten und -orte durchsetzen, fällte das Bundesarbeitsgericht (BAG) vor Kurzem ein Urteil, das zumindest auf den ersten Blick in eine entgegengesetzte Richtung geht: Das Gericht legte fest, dass Arbeitgeber nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet sind, ein System einzuführen, mit dem die von Arbeitnehmenden geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann. Bislang bestand hingegen lediglich die Pflicht zur Aufzeichnung der werktäglichen Arbeitszeit über acht Stunden sowie der gesamten Arbeitszeit an Sonn- und Feiertagen. Das BAG beruft sich für das Urteil auf die europarechtskonforme Auslegung des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG), also auf ein Urteil zur Arbeitszeiterfassung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) aus dem Mai 2019.

Das BAG hat in seiner Entscheidung vom 13. September 2022 verbindlich festgestellt, dass auch in Deutschland die gesamte Arbeitszeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufzuzeichnen ist. Das ist laut BAG bereits heute geltendes Recht.

– Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)

Was bedeutet die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung konkret?

Personaldienstleister dokumentieren die Einsätze und geleisteten Arbeitsstunden ihrer externen Mitarbeitenden ohnehin sorgfältig, sodass sich in diesem Bereich kein größerer Handlungsbedarf ergeben dürfte. Doch nun gilt es auch, die Arbeitszeiten der internen Mitarbeitenden zu erfassen.  Wir haben die wichtigsten Fakten rund um die Einführung der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung zusammengefasst.

  1. Sind alle Unternehmen vom BAG-Urteil betroffen? Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung betrifft laut BAG zwar alle Arbeitgeber in Deutschland. Ob in der Praxis alle Unternehmen davon betroffen sind oder es Ausnahmen geben wird, hängt von der ausführlichen Urteilsbegründung des BAG, die bislang nicht veröffentlicht wurde. Sie wird voraussichtlich Detailfragen beantworten (konkrete Inhalte der Pflicht, Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung in der Praxis etc.).
  2. Muss nun der Gesetzgeber reagieren? Ja. Bisher hat die Bundesregierung das deutsche Arbeitszeitgesetz noch nicht entsprechend geändert. Es gab zwar bereits im Frühjahr einen Entwurf, der die digitale Arbeitszeiterfassung für mehrere Branchen vorgesehen hatte. Die entsprechenden Passagen wurden jedoch aus dem Text gestrichen, bevor das Gesetz beschlossen wurde. Doch nun steht die Ampelkoalition unter Zugzwang, konkrete Regelungen zu treffen.
  3. Besteht sofortiger Handlungsbedarf für Arbeitgeber? Ja. Und an dieser Stelle wird die Umsetzung der Arbeitszeiterfassung etwas problematisch. In einem FAQ erläutert das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) zwar, dass Arbeitgeber nicht mit der Erfassung warten dürfen, bis das Arbeitszeitgesetz an die Rechtsprechung angepasst wurde. Doch gleichzeitig führt das BMAS aus, dass konkrete Festlegungen zum Inhalt der Arbeitszeitdokumentation noch nicht getroffen worden sind.
  4. Was können Arbeitgeber also heute schon tun? Das Bundesministerium empfiehlt an dieser Stelle, zumindest Beginn, Dauer und Ende der täglichen Arbeitszeit jedes Beschäftigten aufzuzeichnen – auch von denjenigen, die nach einem Vertrauensarbeitszeitmodell und/oder mobil arbeiten. Es werden jedoch keine konkreten Vorgaben gemacht, ob dies etwa elektronisch, per Stechuhr oder nur handschriftlich erfolgen soll. Jeder Arbeitgeber kann somit im ersten Schritt eine Lösung einführen, die sich intern gut umsetzen lässt. Auf lange Sicht sind Tools sinnvoll, mit denen sich die künftigen gesetzlichen Vorschriften realisieren lassen und die gleichzeitig alle Vorgaben der DSGVO in Bezug auf die personenbezogenen Daten der Angestellten berücksichtigen.
  5. Was sind die nächsten Schritte? Zunächst muss das BAG die detaillierten Entscheidungsgründe für das Urteil zur Arbeitszeiterfassung veröffentlichen. Der Gesetzgeber prüft daraufhin, welche Konsequenzen sich konkret ergeben. Anschließend wird das BMAS Vorschläge für die Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung machen.

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