15.11.2017 Wolfgang Gastager

Vorurteilsfreie Kandidatenauswahl – geht das?

  • Studien belegen, dass es bei der Kandidatenauswahl in Bewerbungsverfahren zu Diskriminierung kommt
  • Benachteiligungen passieren oft unbewusst und sind dem gängigen Recruiting-Verfahren geschuldet
  • Durch spezielle Recruiting-Software, etwa Parsing- und Matching-Lösungen, lässt sich der Auswahlprozess nicht nur objektivieren, sondern auch effizienter gestalten

84 Prozent der Kandidaten möchten im Falle einer Absage auf ihre Bewerbung einen Grund erfahren, so das Ergebnis einer Umfrage des Personaldienstleisters ManpowerGroup. Aus Bewerber-Sicht vollkommen nachvollziehbar, für Personalverantwortliche mitunter heikel. Denn: Nicht jeder Ablehnungsgrund ist rechtmäßig. So unterbindet das 2006 in Kraft getretene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) jede Form der Diskriminierung im Hinblick auf Geschlecht, Alter, Herkunft, Religion, sexuelle Identität oder Behinderung. Selbst in der Theorie ist die Grenze zwischen rechtmäßigem und diskriminierendem Ablehnungsgrund aber oft gar nicht so einfach zu ziehen. In der Praxis lesen in vielen Unternehmen junge Recruiter unter Zeitdruck stapelweise  Bewerbungen quer – und treffen eine erste Vorauswahl.

Recruiter diskriminieren unbewusst
Diese Methode klingt nicht nur fehler- und diskriminierungsanfällig, sie ist es auch: Studien wie die des Bonner Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) belegen, dass beispielsweise muslimische Frauen mit Kopftuch für eine Einladung zum Bewerbungsgespräch vier Mal so viele Bewerbungen verschicken wie Bewerberinnen mit identischer Qualifikation. Und jetzt mal ehrlich: Würden Sie Ihre Hand dafür ins Feuer legen, dass bei den Auswahlprozessen in Ihrem Unternehmen – trotz bester Absichten – jede Entscheidung immer rechtmäßig vonstattengeht?

Vermutlich werden Sie jetzt darauf hinweisen, dass Unternehmen gar nicht dazu verpflichtet sind, Absagen näher zu begründen. Das ist richtig. Aber eisernes Schweigen kann sich schnell negativ auswirken. Vor allem dann, wenn der sich diskriminiert fühlende, abgelehnte Bewerber vor Gericht zieht. Verweigert der Arbeitgeber im Vorfeld jede Auskunft  zu den Absagegründen, droht Beweisumkehrlast, so die Meinung von Rechtsexperten wie Ralf Klingen: Das Unternehmen hat dann zu beweisen, dass keine Diskriminierung vorliegt.

Parsing und Matching: Objektive Kandidatenauswahl
Wie sollen Unternehmen also mit der Diskriminierungsproblematik im Recruiting umgehen? Am besten, indem sie bei der Bewerberauswahl auf Verfahren setzen, die garantiert vorurteilsfrei ablaufen. Das gelingt mit sogenannten Parsing- und Matching-Technologien. Beim Parsing extrahiert eine Software alle wesentlichen Informationen – etwa Berufserfahrung, Ausbildung, Skills oder Reisebereitschaft – aus sämtlichen Bewerbungsunterlagen und qualifiziert beziehungsweise normalisiert sie. Das Ergebnis: Ein gänzlich objektives Kandidatenprofil. Dieses gleicht dann die Matching-Software mit allen Stellenanzeigen in der Datenbank ab. Auch der umgekehrte Anwendungsfall, bei dem eine Stellenanzeige mit allen Kandidatenprofilen gematcht wird, ist möglich.

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Video: Semantic Extraction in Slow Motion

Ganz gleich, ob ein Kandidat für eine Stelle oder eine Stelle für einen Kandidaten gesucht wird: Am Ende eines jeden Parsing-Matching-Verfahrens steht ein gereihtes Ergebnis, das als objektive Entscheidungsgrundlage dient, um die weiteren Prozesse für die endgültige Besetzung einzuleiten. Die Vorteile liegen auf der Hand. Der Recruiter hat eine Liste der Kandidaten, die objektiv am besten passen. Und zwar ohne die zeitintensive, diskriminierungs- und fehleranfällige Knochenarbeit der händischen Vorauswahl.

Fazit

Wie überall gilt auch im Recruiting: Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler. So kommt es in vielen Unternehmen – trotz Compliance-Richtlinien und meist unbewusst – dazu, dass Bewerber bei der Kandidatenauswahl diskriminiert werden. Objektivieren und somit gegen Diskriminierung immunisieren lassen sich Bewerbungsverfahren mit spezieller Recruiting-Software. Die sorgen nicht nur dafür, dass die besten Bewerber zum Zug kommen, sondern sparen zudem auch eine Menge Zeit.


Wolfgang Gastager

Wolfgang Gastager ist Co-Founder & Managing Director der JoinVision E-Services GmbH in Wien. Das Unternehmen ist vor allem in zwei Bereichen des Recruitings tätig: als Job- und Projektportal für IT- und Technik sowie als Software-Anbieter (Schwerpunkt: semantische Informationsextraktion) für den HR-Bereich.

 

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