14.04.2020 Christian Bredlow

Plötzlich alle im Homeoffice: So gelingt Personaldienstleistern das Arbeiten von Zuhause

Mit Beginn der Corona-Krise mussten viele Personaldienstleister ihre Mitarbeiter schnell ins Homeoffice schicken. Klar, dass so eine einschneidende, ad hoc durchgeführte Maßnahme auch Probleme mit sich bringt. Deswegen haben wir Sie, unsere Leser, dazu aufgefordert, uns Ihre Fragen rund ums Thema Homeoffice zu schicken. Das haben Sie reichlich getan – und wir haben Ihre Anliegen an den Digital-Experten Christian Bredlow (DigitalMindset) weitergeleitet. Viel Spaß mit seinen erkenntnisreichen Antworten.

Welche Führungsaufgaben kommen bei der digitalen Zusammenarbeit speziell auf den Vorgesetzten zu?
Ich persönlich glaube, dass die wichtigste Aufgabe der persönliche – in diesen Zeiten virtuelle – Kontakt zu den Mitarbeitern ist. Ich bin ja nicht nur Digital Mindset Lotse, sondern selbst auch Unternehmer. Die Sorgen, die unsere Mitarbeiter derzeit haben, sind extrem vielfältig. Angst um ihre Gesundheit, Angst um ihren Arbeitsplatz und Angst vor Kurzarbeit und den damit einhergehenden finanziellen Einbußen. Davon sind Unternehmer und Führungskräfte zwar auch nicht ausgenommen, aber sie müssen gerade mit Blick auf ihre Mitarbeiter mit einer gewissen positiven Grundhaltung an die Sache herangehen und ganz viel mit ihren Kollegen sprechen.

Wir empfehlen unseren Kunden kurze virtuelle Mittagspausen mit dem Team einzulegen. Hier geht es nicht um die Arbeit. Hier können Führungskräfte zeigen, dass sie zuhören und sich auf Augenhöhe mit ihren Leuten austauschen. Aber die Führungskraft hat weitergehende Aufgaben. Auch sie kann nicht vorhersehen, wie sich die Situation entwickeln wird. Deshalb braucht es hier gewisse Flexibilität. Es macht nämlich derzeit keinen Sinn, sich mit Quartals- und Jahreszielen zu befassen. Das ist völlig unkalkulierbar. Wir müssen jetzt auf Sicht fahren. Klare Ziele – zum Beispiel über die dynamische OKR-Methode – für den Monat formulieren und sich in kurzen, täglichen Abstimmungsrunden auf dem Laufenden halten. So können wir Schieflagen viel schneller erkennen und finden im Team Möglichkeiten, darauf zu reagieren.


Wie kann ich als Mitarbeiter die aktuell doppelte Herausforderung – Kinderbetreuung und Arbeit – stemmen?
Tja, wenn ich diese Frage final beantworten könnte, müsste ich wohl nicht mehr arbeiten. Ich selbst habe Zwillinge zu Hause. Die zwei wollen permanent beschäftigt werden. Ich bin in der glücklichen Situation, nicht alleine mit ihnen zu sein. Von meinem Kollegen weiß ich, dass er sich mit seiner Frau immer in Zwei-Stunden-Slots mit der Kinderbetreuung abwechselt. Zwei Stunden Ruhearbeit, zwei Stunden arbeiten mit den Kindern in Sichtweite – in diesen Phasen muss man dann eben die Mails beantworten und die Arbeiten erledigen, die nicht die höchste Konzentration erfordern.

Ich glaube, dass derzeit viel Flexibilität von den Arbeitgebern gefordert ist und auch, dass hier viel Flexibilität da ist. Sprich mit Deiner Führungskraft – vielleicht können einige Aufgaben auch in den Abendstunden oder früh am Morgen erledigt werden?


Hätte es die Möglichkeit gegeben, Change Prozesse wie die standortunabhängige digitale Zusammenarbeit VOR dem Ernstfall geplant zu organisieren?
Ja. Dafür könnte man bei uns von der Digital Mindset anrufen. Wir beschäftigen uns, seit ich die Firma vor fünf Jahren gegründet habe, mit dem Thema digitale Zusammenarbeit. Dabei geht es nicht um die Installation von irgendeiner Software oder um etwas, das man mit Hardware lösen kann. Nein. Wie in der Frage beschrieben: Es geht um eine massive Veränderung der Zusammenarbeit in Teams und Unternehmen. In der Zeit vor Corona war es oft „die nächste Sache, um die wir uns kümmern werden“. Jetzt fliegen hier Anfrage über Anfrage über unsere Website rein. Für uns ganz wichtig: Wir führen eine neue Art des Zusammenseins ein. So werden wir übrigens auch die nervigen Mails an den Firmenverteiler los.


Wie organisiere ich Online-Meetings am besten? Wie schaffe ich es, Tagesordnungspunkte im Online-Meeting zügig durchzugehen?
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Online-Meetings ohnehin konstruktiver und zügiger vonstattengehen als Präsenztermine. Ich gehe hier aus meinen Erkenntnissen von einer Halbierung der Zeiten aus. Von daher muss man sich da eigentlich keine Sorgen machen. Dennoch kann man hier ein bisschen Struktur reinbringen: Agenda vorab rumschicken, gegebenenfalls das komplette Meeting im Vorfeld verschriftlichen und zur Abstimmungslesung vorab versenden – beide Tipps übrigens auch gerne weiterverwenden, wenn die Corona-Krise vorbei ist.

Auch wichtig ist das Timeboxing. Der Einladende legt fest, wie lange das Meeting dauert. Und zwar mit hartem Anschlag. Es wird nicht länger getagt, als vorgesehen. Außerdem ist es super hilfreich, nein verpflichtend, dass alle Kollegen die Kamera an- und das Mikrofon aushaben. Das eine erhöht die Konzentration (kein Augen schließen, Kaffee holen, Nase bohren), das andere vermeidet nervige Geräusche in Hintergrund, die das Meeting stören (Staubsauger, Kinder, Hunde).

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Online-Meetings ohnehin konstruktiver und zügiger vonstattengehen als Präsenztermine. Ich gehe hier aus meinen Erkenntnissen von einer Halbierung der Zeiten aus.

– Christian Bredlow über die Vorzüge von Online-Meetings:


Wie klappt es, dass der Austausch mit den Kollegen im Homeoffice genauso rege bleibt, wie er auch im Großraumbüro immer war?
Wenn der Kontakt im Büro zwischen den Kollegen schon gut war, werden sie auch in der Isolation miteinander sprechen. Wir können den Austausch aber auch institutionalisieren. Morgens ein kurzer Check-In, mittags ein virtuelles Mittagessen und für den Nachmittag richtet Ihr noch eine virtuelle Kaffeeecke ein. Ein fester Videocall, in den alle (freiwillig) gehen können, um ein bisschen zu klönen (Anm. d. Red.: klönen = gemütlich plaudern). Mit den festgelegten Zeiten können sich auch die Sorgen bei Unternehmern und Führungskräften abmildern lassen, dass die Kollegen im Homeoffice ja gar nicht arbeiten würden. Wir hatten letzten Donnerstag auch ein Feierabendbierchen virtuell im Selbstversuch. Das war dann nicht so mein Ding.


Wie wichtig ist es, im Homeoffice Mensch zu bleiben? Also sich auch mal zu Themen abseits der Arbeit auszutauschen?
Es ist immer wichtig, Mensch zu bleiben und sich zu Themen abseits der Arbeit auszutauschen. Da gibt es keine Regel fürs Homeoffice. Aber gerade Kollegen, von denen wir wissen, dass sie alleine zu Hause sind und quasi gar keinen physischen Kontakt mehr zu anderen Menschen haben, sollten wir in diesen Tagen ein bisschen mehr Aufmerksamkeit zukommen lassen.


Welche drei Tools zur digitalen Zusammenarbeit sind absolut unverzichtbar?
Bei mir sind das Microsoft Teams für unser Unternehmen, mein Outlook für die Kunden und nach wie vor mein Handy als Schaltzentrale. Das ist aber bei jedem unterschiedlich. Aus meiner Sicht müssen sich Mitarbeiter austauschen können – Digitalisierung bedeutet Vernetzung. Wenn man die im betrieblichen Bereich genauso gut hinkriegt wie im privaten (via WhatsApp, Facebook und Co.), dann ist das schon die halbe Miete.


Sollten im Homeoffice Kernarbeitszeitregelungen festgelegt werden, damit das Team gemeinsam agiert? Oder ist maximale Flexibilität besser?
Grundsätzlich bin ich kein Fan von Vorschriften und Kernarbeitszeitregelungen. Meine Mitarbeiter wissen selbst am besten, wann und wie lange sie produktiv sind – und solange die Leistung stimmt und unsere Kunden maximal zufrieden sind, ist mir egal, wann gearbeitet wird.

Der Kunde ist hier allerdings ein limitierender Faktor. Führungskräfte müssen von ihren Mitarbeitern erwarten können, dass sie für ihre Kunden erreichbar sind. Und die rufen zumeist von 09 Uhr bis 17 Uhr an. Wir haben aber ja schon drüber gesprochen: Die Zeiten, in denen wir grade unterwegs sind, sind verrückt – und da sollten wir ein bisschen flexibler sein, wenn es dafür vernünftige Gründe gibt.


Mit welchen Tools können wir gemeinsam an einem Dokument arbeiten?
Die Tools, mit denen wir am Dokument arbeiten, sind in der Regel immer die gleichen. Word, Excel und PowerPoint. Entscheidend ist jetzt die Frage, wie wir daran gemeinsam arbeiten können. Denn dafür müssen die Daten zentral abgelegt werden. Jedem muss klar sein, dass Dateien auf dem eigenen Desktop nichts mehr verloren haben. Das geht mit der G Suite von Google, über Clouddienste wie Dropbox oder Nextcloud und über diverse Social Intranet Systeme, etwa Coyo. Platzhirsch ist hier aber ganz klar Office 365 von Microsoft, die hier mit einer Geschwindigkeit in den Markt reinpreschen, die an alte Zeiten erinnert. Richtig aufgesetzt hat man damit alles an Bord, was es für die digitale Zusammenarbeit braucht.


Ablenkungen sind im Homeoffice omnipräsent. Wie bleibe ich fokussiert?
Wichtig ist auch hier das Mindset. Den Mitarbeitern muss klar sein, dass Homeoffice kein Wellness-Urlaub ist. Das ist Arbeit – und für diese Arbeit werdet sie bezahlt. Die Marschroute ist also eigentlich relativ einfach. Aufstehen, wer mag macht ein bisschen Sport, duschen, anziehen, gegebenenfalls frühstücken und dann nichts wie ran an den Rechner. Um fokussiert zu bleiben, hilft es, genauso seine Pausen zu nehmen wie im Büro. Und dann geht’s wieder los. Ganz ohne Fernseher, zwischendurch Wäsche machen und Gänsebraten kochen. Mein Tipp für erfolgreiches Homeofficing: Sympathisch und authentische Umgebung, gute Beleuchtung, ein gutes Headset, ein paar Blumen, ein Blick nach draußen (für die Augen und die Gedanken) und alle 50 Minuten gerne mal ein paar Minuten ab an die frische Luft. Ach ja: Stellt Euch im nicht-sichtbaren Bereich eine Kiste Süßigkeiten auf. Als kleine Abwechslung oder Belohnung zwischendurch!

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